Legale Ausbeutung vor der Haustüre
Die Vollendung des Verkehrsbinnenmarktes ging nicht mit einer sozialen Harmonisierung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einher. In vielen Fällen greifen Regelungen, etwa die Entsenderichtlinie, nicht ausreichend, da sie den Anforderungen des Verkehrs nicht gerecht werden. Fragen nach dem zu zahlenden Lohn, den Einsatzbedingungen, der sozialen Absicherung oder des ArbeitnehmerInnenschutzes sind, wegen der zahlreichen Grenzübertritte der Beschäftigten innerhalb nur weniger Stunden, oft nur schwer beantwortbar. Gefinkelte Unternehmenskonstruktionen tragen das ihre dazu bei, die Situation unübersichtlich zu halten. Bei gleichbleibender Unternehmenstätigkeit werden über Briefkastenfirmen und Tochterunternehmen sowohl Fahrzeuge als auch Beschäftigte, oft völlig legal, in Länder verlagert, in denen das Steuer-, Lohn-, und das Niveau des ArbeitnehmerInnenschutzes Vorteile bringt.
Abgesehen von den Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr werden soziale Bestimmungen (Ausbildung, Einsatzbedingungen, soziale Absicherungen, Entlohnung) im Verkehrsbereich vielfach nicht bzw. nur marginal überprüft. Eine Mindestkontrollrichtlinie gibt es nur im Straßenverkehr.
Dieser unkontrollierte Graubereich kann dazu führen, dass einige Unternehmen, oftmals völlig legal, Druck auf ArbeitnehmerInnen ausüben. Ein entsprechender Bericht der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) – „Moderne Sklaverei im heutigen Europa? Bericht der ETF über die Arbeits- und Lebensbedingungen von Berufskraftfahrern in Europa“ (Brüssel 2012) – und eine Studie des Europäischen Parlaments (EP) – „Die sozialen und Arbeitsbedingungen von Güterkraftverkehrsunternehmern (Brüssel 2013) – haben schon vor Jahren aufgezeigt, dass der Druck auf die Beschäftigten nicht mehr vertretbare Ausmaße annimmt.
Mehr zu diesem Thema finden Sie im Artikel "Legale Ausbeutung vor der Haustüre" der Zeitschrift Wirtschaft&Umwelt von Gregor Lahounik.
DI Gregor Lahounik ist Raumplaner und Mitarbeiter der Abteilung Umwelt & Verkehr in der AK Wien.