Gesunde Arbeit

„Arbeitspsychologie rechtlich im ArbeitnehmerInnenschutz verankern!“

Die Vorstandsmitglieder der Berufsverbände der PsychologInnen, Mag.a Andrea Birbaumer (GkPP) und Dr. Christoph Kabas (BÖP), stellten sich den Fragen der "Gesunden Arbeit".
"Führungskräfte und MitarbeiterInnen müssen Konfliktkompetenz entwickeln."
Christoph Kabas (BÖP) und Andrea Birbaumer (GkPP)
Foto von Christoph Kabas (BÖP) und Andrea Birbaumer (GkPP) "Führungskräfte und MitarbeiterInnen müssen Konfliktkompetenz entwickeln."
Foto von Christoph Kabas (BÖP) und Andrea Birbaumer (GkPP) Christoph Kabas (BÖP) und Andrea Birbaumer (GkPP)

Welche Aufgaben haben der BÖP und die GkPP?
Kabas: Der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) ist seit 1953 als Berufsvertretung tätig. Mit über 5.000 Mitgliedern ist er ein wichtiger und gefragter Gesprächspartner im Gesundheits- und Sozialbereich. Er bezweckt die Förderung einer optimalen psychosozialen Versorgung der Bevölkerung Österreichs mittels Prävention, Gesundheitsförderung, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation. Und das in allen Anwendungsgebieten der Psychologie, z. B. der Kinderpsychologie, der Klinischen und Gesundheitspsychologie sowie der Arbeits- und Organisationspsychologie.
Birbaumer: Die Gesellschaft kritischer Psychologen und Psychologinnen (GkPP) ist als österreichische Berufsvertretung für PsychologInnen seit über 30 Jahren Ansprechpartnerin für PsychologInnen aus verschiedenen Fachbereichen und vertritt deren Anliegen in Politik und Öffentlichkeit. Wir verstehen uns als politische Berufs- und Interessenvertretung. Dabei ist es uns besonders wichtig, den Menschen in seiner Wechselwirkung mit seinem gesellschaftlichen Umfeld zu betrachten und uns für eine emanzipatorische Praxis zu engagieren. Als wesentlicher Qualitätsanbieter in der Fort- und Weiterbildungslandschaft bieten wir Seminare, Lehrgänge und niederschwellige Veranstaltungen in zahlreichen Fachbereichen an. Die beiden Berufsverbände (BÖP, GkPP) zertifizieren nach gemeinsamen Qualifikationsstandards Arbeits- und OrganisationspsychologInnen.

Mit welchen Folgen müssen Betriebe rechnen, wenn vorhandenen Konflikten nicht aktiv entgegengesteuert wird?
Birbaumer/Kabas: Grundsätzlich sind Konflikte in Organisationen normal. Die entscheidende Frage ist, wie damit umgegangen wird. Werden Konflikte nicht aktiv gelöst, steht die Aufgabenerfüllung auf dem Spiel – egal auf welcher Ebene. Bei Konflikten zwischen MitarbeiterInnen kommt es vor, dass sich diese mehr miteinander als z. B. mit den KundInnen beschäftigen. Bei Konflikten zwischen zwei Abteilungen kann dies nicht nur die berufliche Existenz Einzelner gefährden, sondern auch den ganzen Betrieb und dessen Marktwert. Internationale Studien zeigen, dass vor allem organisatorische Veränderungsprozesse an ungelösten Konflikten scheitern. Lang andauernde Konflikte sind für Betroffene eine chronische Stressbelastung, die ernsthafte körperliche und psychische Beschwerden hervorrufen kann. Im Extremfall führen ungelöste Konflikte zu Mobbing, wenn Beleidigungen oder Drohungen hinzukommen, ist man im strafrechtlichen Bereich.

Was ist im Hinblick auf Gewalt- und Konfliktprävention im Betrieb besonders wichtig?
Birbaumer/Kabas: Führungskräfte und MitarbeiterInnen müssen Konfliktkompetenz entwickeln. Es geht darum, anbahnende Konflikte zu erkennen und mit entsprechenden Mitteln zu lösen. Grundvoraussetzungen sind Fähigkeiten wie Empathie, d. h. sich in die Lage und den Blickwinkel des/der anderen hineinzuversetzen, kommunikative Fähigkeiten, wie z. B. sachlich und wertschätzend auch unangenehme Dinge ansprechen zu können, und Werkzeuge im Umgang mit gruppendynamischen Prozessen. Hier können ArbeitspsychologInnen mit ihrem speziellen Know-how die Betriebe unterstützen.

Was können ArbeitgeberInnen konkret tun?
Birbaumer/Kabas: Betriebe können eine konstruktive Konfliktkultur und Konfliktkompetenz als Kernkompetenz von Führungskräften entwickeln. Standards zum Umgang mit gewissen Konfliktarten können in Betriebsvereinbarungen festgelegt werden, insbesondere für Mobbing, sexuelle Belästigung oder gewaltsame Übergriffe. Es hat sich bewährt, sich im Vorhinein Gedanken darüber zu machen, eventuell auch in Form von Checklisten, was bei welchen Vorkommnissen passieren soll. Ansprechpersonen (Ombudsmänner/-frauen) zu benennen, die mit gewissen Rechten und Mitteln ausgestattet sind, ist wichtig. Es geht darum, konkrete Lösungen anzubieten.

Welchen Beitrag können ArbeitspsychologInnen hier präventiv leisten?
Birbaumer/Kabas: ArbeitpsychologInnen können Betriebe dabei unterstützen, z. B. im Rahmen der Personalentwicklung Konfliktkompetenz aufzubauen oder Ombudsstellen zu speziellen Konfliktformen (Mobbing, sexuelle Belästigung etc.) einzurichten. Ebenso hat die Arbeit mit Teams und Führungskräften zu Kompetenz- und Rollenklärung sowie der Etablierung einer offenen Gesprächskultur großes präventives Potenzial. „Konfliktkultur“ zu entwickeln kann Eskalationen in vielen Fällen vermeiden. Natürlich können ArbeitspsychologInnen auch Betroffene/Teams bei der Bewältigung von bestehenden Konflikten unterstützen.

Wo wird die Arbeitspsychologie in fünf Jahren stehen?
Birbaumer/Kabas: Die Arbeitspsychologie wird in den nächsten Jahren stärker nachgefragt sein. Dazu trägt der immer größer werdende Dienstleistungssektor bei, in dem ja das primäre Produktionsmittel die menschliche Psyche ist. Auch in anderen Sektoren zeigt sich, dass rein betriebswirtschaftliche Ansätze zu kurz greifen. Wir sind eben Menschen – und da menscheltʼs. Auf der gesellschaftlichen Ebene stehen wir vor großen Herausforderungen. Diese hängen mit der zunehmenden Komplexität vieler Prozesse zusammen, wie Globalisierung, Migration, Digitalisierung. Für Europa speziell zutreffend ist das Thema Arbeit und Altern. Aufgrund der Entwicklungen und der Nachfrage wird es notwendig sein, die Arbeitspsychologie rechtlich im ArbeitnehmerInnenschutz und Psychologengesetz gut zu verankern, um so Betrieben und MitarbeiterInnen solide Instrumente zu bieten.

Vielen Dank!
Die Fragen stellte Hildegard Weinke, AK Wien.

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