Todesfälle am Arbeitsplatz sind keine Privatsache
24.1.2018: Tagung über Krankheit, Tod und Trauer am Arbeitsplatz
Viele Menschen versuchen ihre Trauer ins Abseits zu stellen, da der Arbeitsplatz hierfür oft keinen Platz bietet. Jährlich sterben in Österreich rund 80.000 Menschen, davon 10.000 bis 12.000 im erwerbsfähigen Alter. Deshalb ist besondere Rücksichtnahme gerade im Arbeitsleben wichtig, da die Verarbeitung von Todesfällen und Trauer oftmals ein langwieriger Prozess ist. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) und die Gewerkschaft vida plädieren deshalb für die Umsetzung von betrieblichen Unterstützungsformen, da ein richtiger, wertschätzender und menschlicher Umgang mit betroffenen ArbeitnehmerInnen notwendig ist.
Bis zum Sommer wollen die Gewerkschaften hierfür eine Musterbetriebsvereinbarung erarbeiten; auch die psychosoziale Beratung am Arbeitsplatz müsse intensiviert werden. Im Rahmen der Sozialpartnerschaft sollen den ArbeitgeberInnen zu diesen Punkten Vorschläge unterbreitet werden, berichteten die Gewerkschaften in einer Pressekonferenz am Vortag der Tagung über Krankheit, Tod und Trauer am Arbeitsplatz. Gemeinsam mit dem Verein Rundumberatung sowie der Österreichischen Beamtenversicherung (ÖBV) wurde dabei ein neuer Ratgeber für von Todesfällen und Trauer betroffene ArbeitnehmerInnen, ArbeitgeberInnen und BetriebsrätInnen vorgestellt.
Norbert Schnedl: Trauermanagement in Betrieben forcieren
„Mit diesem Trauerratgeber geben wir Kolleginnen und Kollegen eine Hilfestellung, um mit Trauersituationen am Arbeitsplatz bewusster umzugehen. Das dient der kritischen Auseinandersetzung mit der Tabuisierung von Trauer, um den direkten Umgang mit Verlusten wieder stärker ins soziale Leben zu rücken“, betont Norbert Schnedl, Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und ÖGB-Vizepräsident. „Bewusste Trauerarbeit erleichtert die Bewältigung und muss somit auch Eingang in den beruflichen Alltag finden“, so Schnedl.
Monika Gabriel: Trauer am Arbeitsplatz zulassen
„Speziell im Berufsleben wäre es wichtig, wenn man vom Ableben einer Kollegin oder eines Kollegen erfährt, im unmittelbaren Arbeitsumfeld Zeit und Raum für Trauer zuzulassen und Anteilnahme zu zeigen. Es trauert jeder anders und auch das muss akzeptiert werden“, hebt Monika Gabriel, Vorsitzende-Stellvertreterin und Bereichsleiterin der GÖD-Frauen, hervor. „Da wir Menschen keine Maschinen sind kann es auch vorkommen, dass wir plötzlich nicht mehr so funktionieren, wie wir das selbst von uns gewöhnt waren bzw. auch wie unser Umfeld das gewöhnt war und erwartet“, so Gabriel.
Elisabeth Vondrasek: Trauernde nicht schweigend sich selbst überlassen
„Der Tod macht alle Menschen betroffen. Die Frage ist, was müssen wir tun, damit Betroffene das in der Arbeitswelt verarbeiten können? Wie sollen sich KollegInnen, BetriebsrätInnen, ArbeitgeberInnen verhalten, um Betroffene so gut wie möglich zu unterstützen“, erklärt Elisabeth Vondrasek, stellvertretende vida-Vorsitzende und Vorsitzende der vida-Frauen, warum man sich zur Herausgabe des neuen Trauerratgebers entschlossen hat. „Zu oft wird erwartet, dass man trotzdem funktioniert und die Trauer möglichst schnell außerhalb des Betriebs verarbeitet wird. Der falsche Weg ist jedenfalls, nur zu schweigen und anzunehmen, dass sich die Dinge schon wieder von selbst regeln werden. Menschen reagieren und verarbeiten Tragödien unterschiedlich. Es ist deshalb wichtig Trauernde nicht schweigend sich selbst zu überlassen, sondern stattdessen ehrliche Anteilnahme, Mitgefühl und Respekt zu zeigen sowie ihnen Zeit zum Trauern zu geben“, sagt Vondrasek.
Daniela Musiol: Unternehmensführungen müssen Trauer am Arbeitsplatz ernst nehmen
„Trauer erzeugt Verunsicherung, und so tragen Trauerfälle häufig dazu bei, bereits bestehende Konflikte am Arbeitsplatz noch einmal zu verschärfen“, sagt Daniela Musiol, Trauerberaterin und Supervisorin vom Verein Rundumberatung. „Umso wichtiger ist es daher, dass Unternehmensführungen Trauer am Arbeitsplatz ernst nehmen, für ein offenes Gesprächsklima sorgen und die Auseinandersetzung mit diesem Thema ermöglichen. Was außerdem oft übersehen wird: Trauerfälle sind gewaltige Herausforderungen an die interne Kommunikation. Was ist passiert? Wer weiß was? Wie geht’s weiter? Gerade bei Todesfällen ist der Durst nach Information sehr groß. Wer dieses Bedürfnis nicht ernst nimmt, riskiert, dass Gerüchte aller Art entstehen und sich verbreiten“, stellt Musiol fest.
Josef Trawöger: Unternehmenskultur muss Platz für Trauer einräumen
„Die ÖBV ist langjähriger Versicherungspartner von vida und GÖD. Wir freuen uns deshalb sehr, Teil dieser großartigen Initiative zu sein. Egal, was uns gerade nahegeht, im Job müssen wir täglich funktionieren. Das ist nicht immer leicht - vor allem nach dem Tod eines geliebten Menschen, einer Arbeitskollegin oder eines Arbeitskollegen“, sagt Josef Trawöger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Beamtenversicherung (ÖBV). „Oft trösten schon wenige Worte der Anteilnahme, da sie uns zeigen, dass wir nicht alleine sind. Die Einschätzung, welche Worte zu welchem Zeitpunkt angebracht sind, ist vor allem im Arbeitsumfeld schwierig. Umso wichtiger ist es, eine Unternehmenskultur zu ermöglichen, in der es Platz für Trauer und die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod gibt. Ich bin sicher, dass die vorliegende Broschüre den Anstoß zur Beschäftigung mit diesem Tabuthema geben wird“, betont Trawöger.
Fotoalbum der Veranstaltung auf Flickr