Gesunde Arbeit

Gewalt im Handel - Angestellte verdienen mehr Respekt

Handelsangestellte sind im beruflichen Alltag oft mit Stress, Angst und Überlastung, aber auch mit Aggression und sogar Gewalt konfrontiert. Eine IFES Studie unterstreicht Berichte von BetriebsrätInnen und Beschäftigten über oft sehr belastende Situationen.
Martin Müllauer, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel, Anita Palkovich, Anita Palkovich, KV-Verhandlerin im Handel und Josef Hager, stv. Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel
Foto von der Pressekonferenz zu Gewalt im Handel Martin Müllauer, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel, Anita Palkovich, Anita Palkovich, KV-Verhandlerin im Handel und Josef Hager, stv. Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel

Die GPA-djp zeigt anhand betrieblicher Beispiele gemeinsam mit BetriebsrätInnen auf, wie mit solchen Belastungen konkret umzugehen ist und stellt konkrete Forderungen an Arbeitgeber und Politik.

Beschimpfungen, Bedrohungen und Beleidigungen stehen im Handel auf der Tagesordnung
Handelsangestellte verdienen Respekt

Die Internationale Arbeitsorganisation ILO beschreibt Gewalt am Arbeitsplatz als "jede Handlung, Begebenheit oder von angemessenem Benehmen abweichendes Verhalten, wodurch eine Person im Verlauf oder in direkter Folge ihrer Arbeit schwer beleidigt, bedroht, verletzt, verwundet wird."

Darin sind sowohl Übergriffe Dritter mit gesundheitlicher (körperlicher und psychischer) Schädigung, als auch Übergriffe von KollegInnen oder Vorgesetzten enthalten. Zu unterscheiden sind externe und interne Gewalt. Externe Gewalt wird von KundInnen, PatientInnen, KlientInnen ausgeübt. Interne Gewalt wird durch KollegInnen, Vorgesetzte oder dem Management verursacht.

Handelsangestellte sind im beruflichen Alltag oft mit Stress, Angst und Überlastung, aber auch mit Aggression und sogar Gewalt konfrontiert. Das reicht von scheinbar harmlosen „Hänseleien“ bis hin zu schwerwiegenden tätlichen Übergriffen. Und wenn man nicht selbst betroffen ist, so kann man doch Zeuge derartiger Vorfälle werden.

Bei einer Befragung durch das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) zum Thema Gewalt am Arbeitsplatz im Burgenland 2017 zeigen die Ergebnisse des Handels den dringenden Handlungsbedarf:

  • 25 % wurden selbst schon angeschrien oder eingeschüchtert
  • 22 % wurden an ihrer Arbeitsstelle schon beschimpft oder beleidigt
  • 10 % wurden schon mal bedroht, eingeschüchtert oder waren Opfer von Psychoterror
  • 42 % der Beschäftigten haben derartige Vorfälle an ihrer Arbeitsstelle wahrgenommen bzw. beobachtet.
  • Herumschreien wird von 53 %, Beschimpfungen oder Beleidigungen werden von 40 % der Beschäftigten jedenfalls als Gewalt betrachtet
  • Auslöser für Gewalt am Arbeitsplatz sind aus Sicht der Handelsangestellten:
    • Steigender Arbeitsdruck (90 %)
    • Zunehmende Rücksichtslosigkeit bzw. Gewaltbereitschaft (91 %)
    • Schlechter Führungsstil (91 %)
    • Zu wenig Personal (73 %)
  • Jede 5 Angestellte kann die psychischen Anforderungen in der Arbeit weniger gut bewältigen

Für die GPA-djp bestätigen die Ergebnisse der Befragung die Berichte vieler BetriebsrätInnen und Mitglieder, die zu uns in die Beratung kommen. Die Situation ist in manchen Geschäften extrem angespannt. Arbeitgeber begegnen Gewalt am Arbeitsplatz unterschiedlich, meist zu zögerlich.

„Ein starkes Nervenkostüm müssen wohl viele Handelsangestellte mitbringen. Denn Beschimpfungen, Bedrohungen oder Belästigung stehen in einigen Teilen Österreichs auf der Tagesordnung.“, fasst Anita Palkovich, Wirtschaftsbereichssekretärin und KV-Verhandlerin im Handel die Berichte der BetriebsrätInnen zusammen. „Ein Blitzdiebstahl (Griff in die Kassa) oder ein Ladendiebstahl kommt öfter vor als gedacht. Diese Vorfälle stellen für viele Beschäftigte eine Gefährdung dar und sind sehr belastende Situation.“, erklärt Palkovich weiter.

„Je mehr sich die Kunden hinter Anonymität verstecken können, desto niedriger ist die Hemmschwelle gegenüber den Beschäftigten“, zeigt sich Martin Müllauer angesichts der Entwicklung besorgt. „Es braucht neben präventiven Maßnahmen rasche unbürokratische Hilfe für Handelsangestellte. Und vor allem braucht es mehr Respekt!“

Anita Palkovich und Martin Müllauer appellieren an die Vorgesetzten die Anliegen und Sorgen der Handelsangestellten ernst zu nehmen und an die Konsumenten einen kühlen Kopf zu bewahren und Respekt vor den Leistungen der Handelsangestellten zu zeigen.


Beispiel REWE (Billa, Merkur, Penny, Adeg, Bipa)
Die Handelsfirmen BILLA, MERKUR, PENNY, BIPA und ADEG versorgen in rund 2.550 Filialen täglich 1,9 Mio. Kundinnen und Kunden mit Lebensmitteln und Drogerieartikeln. Ein Konzern mit 44.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begegnet daher dem Thema Gewalt am Arbeitsplatz mit einem eignen Konzept. Denn leider gibt es täglich Vorfälle. Diese reichen von Beschimpfungen, Bedrohungen und Belästigung bis zum Griff in die Kassalade.

  • Der Kontakt mit der örtlichen Polizei ist besonders wichtig. So wird präventiv gearbeitet und Probleme bzw. Gefahren können frühzeitig erkannt sowie bearbeitet werden.
  • Schulung für den Fall der Fälle, um (wenn möglich) richtig zu reagieren. Ein e-learning Tool bereitet die Beschäftigten auf die unterschiedlichsten Situationen vor. Es gibt Handlungsanleitungen für aggressive Kunden, Belästigung, Ladendiebstahl und Überfälle.
  • Sollte wirklich etwas Schwerwiegendes passieren, gibt es eine Kooperation mit dem „Weißen Ring“. Das ist eine Opferunterstützungs-Organisation. Sie steht österreichweit allen Opfern von Straftaten offen. Diese Kooperation stellt sicher, dass innerhalb von 24 Stunden ein Psychologe direkt zum Ort des Geschehens kommt und die Beschäftigten betreut.

Beispiel dm drogeriemarkt GmbH
Die Gewaltbereitschaft in Teilen der Bevölkerung nimmt zu. Davon sind Zug- und FlugbegleiterInnen ebenso wie Beschäftigte im Gastgewerbe, dem Gesundheits- und Sozialbereich, bei Transportunternehmen und Verkaufspersonal im Einzelhandel betroffen. Übergriffe haben die verschiedensten Motivationsgründe, doch gilt es, als Unternehmen seine 6.600 MitarbeiterInnen in 389 Filialen vor Gewaltangriffen zu schützen, ihnen Handlungskompetenzen für den Ernstfall zu vermitteln und ihnen nach einem gewalttätigen Zwischenfall hilfreich zur Seite zu stehen. Nicht nur die Bedürfnisse der Kunden, sondern auch jene der MitarbeiterInnen stehen bei dm drogeriemarkt im Mittelpunkt.

  • Bildungsangebot für dm-MitarbeiterInnen soll Sicherheit statt Gefahr, soll Kompetenz statt Hilflosigkeit, soll pro-aktives Handeln statt Defensivverhalten vermitteln. Mit dem Workshop „Selbstsicherheit – Umgang mit aggressiven Kunden“ werden die MitarbeiterInnen ermutigt, bestärkt und gekräftigt, Gewalt besser zu erkennen, effektiver damit umzugehen und sich selbst besser dagegen zu schützen. Das Bildungsangebot ist in drei Module gegliedert:
    • Hintergründe der Gewalt (präventiv)
    • Umgang mit Gewalt (situativ)
    • Organisation der Sicherheit (protektiv)
  • Nachhaltige Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeiter: Dazu zählt natürlich auch die psychische Gesundheit. Belastende Situationen mit aggressiven Kunden, Ladendiebstahl oder andere Formen der Gewalt wird mit einem klaren Anspruch auf Supervision begegnet.

Forderungen der GPA-djp
Die GPA-djp hat konkrete Forderungen, um Angestellte im Handel zu schützen und wenn notwendig zu unterstützen:

Schnelle unbürokratische Hilfe – Recht auf Supervision
Vorfälle müssen innerhalb einer Woche aufgearbeitet werden. Es braucht schnelle psychologische Hilfe zur Verarbeitung der Erlebnisse.
Ein Recht auf unbürokratische Hilfe soll im Kollektivvertrag verankert werden. Wer Hilfe braucht muss sie auch bekommen. Vorbild ist dabei der Kollektivvertrag für die Sozialwirtschaft Österreich: „Arbeitnehmerinnen …, die in einer besonderen Belastungssituation stehen, haben Anspruch auf Supervision. Die Arbeitszeit-anrechnung und die Kostenübernahme hat durch den Arbeitgeber zu erfolgen.“


Mindestbesetzung in den Filialen
Bei erwartbaren hohen Auslastungszeiten und bei Rabattaktionen müssen entsprechende personelle Kapazitäten eingeplant werden. Durch zu knappe Personaleinsatzplanung werden viele Situationen durch den Arbeitgeber selbst verursacht. Die Angestellten haben oft keine Chance eigenständig Situationen zu entschärfen, weil die Ressourcen fehlen.

Gewaltschutzbeauftragte ab 20 Beschäftigte
Es braucht Ansprechpersonen direkt vor Ort, die entsprechend geschult sind. Es ist notwendig vor Ort eine Gefahreneinschätzung durchzuführen, um präventiv Maßnahmen vorschlagen zu können.
Eine Schnittstelle zur örtlichen Polizei oder Gewaltschutzorganisationen ist für die Prävention und den Ernstfall wichtig.


Arbeitsplätze/Filialen gewaltfrei gestalten
Aufgrund des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) sind ArbeitgeberInnen im Rahmen der "Grundsätze der Gefahrenverhütung" dazu verpflichtet, den "Faktor Mensch" bei der Arbeit, insbesondere bei der Arbeitsgestaltung und bei der Auswahl von Arbeitsverfahren, sowie die sozialen Beziehungen und die Arbeitsorganisation bei der Planung der Gefahrenverhütung zu berücksichtigen (§ 7 ASchG).

Daher muss schon bei der räumlichen Gestaltung der Geschäfte darauf geachtet werden, dass Beschäftigte geschützt sind. Aber auch enge Gänge oder zu kleine Kassabereiche bringen Konsumenten ungewollt in Stresssituationen. Eine Überprüfung der Geschäfte unter Berücksichtigung des Geschäftstyps und der Kundenfrequenz zur Entschärfung von „Gefahrenzonen“ ist daher unbedingt notwendig.

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