Gesunde Arbeit

„Digitaler Taylorismus“ – auf Schritt und Tritt überwacht

Unter „digitalem Taylorismus“ werden neue digitale Mittel verstanden, um Arbeitnehmer:innen zu kontrollieren, zu bewerten und so technologisch optimiert zu steuern. Einblicke in eine Fallstudie zeigen, wie durch Überwachung und Zentralisierung von Wissen betriebliche Macht ausgeübt wird.
Der vermehrte Einsatz von digitalen Technologien in Verteilerzentren verschärft die Kontrolle und den Arbeitsdruck der Beschäftigten.
Digitaler Taylorismus am Beispiel eines Verteilerzentrums Der vermehrte Einsatz von digitalen Technologien in Verteilerzentren verschärft die Kontrolle und den Arbeitsdruck der Beschäftigten.

Gegenstand der Fallstudie sind österreichische Verteilzentren eines Versandhandelskonzerns, in denen Pakete täglich und tausendfach gescannt, etikettiert und für die Zustellung vorbereitet werden. Die prekäre Situation der überwiegend migrantischen Arbeiter:innen gilt es zu verstehen, um sie zu verändern.

Digitale Überwachung und Kontrolle in Verteilzentren Die dort beschäftigten Arbeiter:innen werden über ihr Arbeitsgerät – den Handscanner – auf Schritt und Tritt überwacht. Ihre unmittelbaren Vorgesetzten nutzen die aus dieser permanenten digitalen Überwachung hervorgehenden Daten zur Echtzeitverfolgung ihrer Leistungen. Unter Rückgriff auf die Daten wird seitens des Managements Kontrolldruck auf die einzelnen Arbeiter:innen ausgeübt. Ein im Rahmen des Forschungsprojekts interviewter Arbeiter schildert seine Erfahrungen wie folgt: „Wenn du heute müde bist und nicht gut arbeitest, kommt der Vorgesetzte zu dir und sagt: ‚Ich sehe alles im Computer. Wenn du zwei Mal so arbeitest, bist du weg.ʻ“

Zentralisierung von Wissen Jedoch dienen die gewonnenen digitalen Daten dem Management nicht ausschließlich als Überwachungsinstrument, diese ermöglichen auch die Zentralisierung des Wissens über den Produktionsprozess. Dieses zentralisierte Wissen stellt die Grundlage für die einfachen, standardisierten Anweisungen dar, welche die Arbeiter:innen mittels des Scanners dezentral erhalten und zu befolgen haben.

Ersetzbarkeit der Arbeiter:innen Eine Folge dieser Organisation des Arbeitsprozesses, in der sich die Arbeitsschritte durch Monotonie sowie digitale Steuerung auszeichnen und dadurch annähernd keine Einarbeitungszeit voraussetzen, ist die Austauschbarkeit und Ersetzbarkeit der einzelnen Arbeiter:innen. So schildert ein weiterer Arbeiter diese Erfahrung folgendermaßen: „You have to accept, you have to say ,yesʻ. If you say ,yes manʻ, they give you thumb. If not, they replace you.“
Offenkundig ist hier, wie wenig es auf die Menschen, ihre Eigenschaften und Bedürfnisse ankommt. Wer es wagt, zu widersprechen und nicht auf jede Anweisung mit „yes man“ zu reagieren und somit auszudrücken, mehr als ein Produktionsmittel – nämlich ein Mensch – zu sein, wird schlicht und einfach ersetzt. Wer sich hingegen der zugeschriebenen Funktion fügt, wie eine Maschine zu arbeiten, hat nichts zu befürchten.
Die Erfahrungen der Arbeiter:innen zeigen, dass digitale Technologien die Kontrolle und den Arbeitsdruck verschärfen. Die Leidtragenden sind die Beschäftigten. Dagegen gilt es, den Einsatz digitaler Technologien am Arbeitsplatz menschengerecht zu gestalten.

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