Gesunde Arbeit

Wenn an jedem Tag „Weihnachten“ ist

Amazon ist nicht nur für seine Schnäppchen bekannt, sondern auch für schnelle Lieferung, oft schon innerhalb eines Tages nach der Bestellung. Die prekären Arbeitsbedingungen für PaketzustellerInnen, die das möglich machen, bleiben jedoch meist verborgen.
Die Arbeits- und Menschenrechte von PaketzustellerInnen wurden in der Pandemie noch weiter beschnitten.
Erschöpfter Paketzusteller Die Arbeits- und Menschenrechte von PaketzustellerInnen wurden in der Pandemie noch weiter beschnitten.

Regelmäßige Überstunden, kaum Zeit für Pausen und chronischer Stress – das ist für viele PaketzustellerInnen Alltag. Im Zuge der Studie „Systemrelevant, aber unsichtbar“ der AK Wien und der WU Wien wurden 15 PaketzustellerInnen befragt, die bei österreichischen Subunternehmen für Amazon Pakete ausliefern. Genau diese Sub(sub)unternehmensstruktur, so ein Ergebnis der Studie, ermöglicht es dem Großkonzern, Verantwortung für Entlohnung und Arbeitsbedingungen auszulagern – mit teils gravierenden Folgen.

Was die Gratislieferung wirklich kostet
Aus den Berichten der PaketzustellerInnen lassen sich klare Muster ableiten, die auf mehrfache Prekarität hindeuten. Amazons Versprechen schneller Lieferungen spiegelt sich in einer konstant hohen Arbeitsintensität wider, die sich während der Pandemie noch verstärkt hat. Seit Corona sei an jedem Tag „Weihnachten“, so einer der Befragten, und er meinte das keineswegs positiv. Die chronische Arbeitsbelastung schlägt sich in gesundheitlichen Problemen nieder. Viele ZustellerInnen klagen über Rückenschmerzen, Verletzungen und psychische Belastungen.

Schutz für die einen, mehr Risiko für die anderen
Damit sich manche von uns im Homeoffice vor einer Corona-Infektion schützen konnten, lieferten ihnen andere während der Pandemie alles, was sie brauchten, direkt vor die Haustür. Für die Zustellbranche bedeuteten Lockdowns also keinen Schutz, sondern nur noch mehr Pakete, die es in der vorgegebenen Zeit auszuliefern galt. Gleichzeitig meinten viele ZustellerInnen, bei Symptomen nicht in den Krankenstand gehen zu können. Die Angst, dann gekündigt zu werden, war schlichtweg zu groß, wie ein Befragter berichtete: „Wenn ich ihm [dem Vorgesetzten] sage, dass ich mich schlecht fühle und infolgedessen zwei bis drei Tage zu Hause bleiben muss, sagt er womöglich: ‚Okay, aber in dem Fall nehmen wir dir jetzt dein Auto weg und du bist gekündigt.‘“ Dass nicht nur in Zeiten einer Pandemie kranke LieferantInnen ein Risiko für KollegInnen, den Straßenverkehr und EndkundInnen darstellen, liegt auf der Hand.

Systemerhaltende Arbeit ist migrantisch
Kausal für die Ausbeutung der ZustellerInnen war in vielen Fällen ihr Migrationshintergrund. Durch unsicheren Aufenthaltsstatus, Sprachbarrieren, fehlende soziale Netzwerke, langwierige Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen und Diskriminierung am Arbeitsmarkt entstand zusätzlicher Druck, den prekären Lieferjob anzunehmen. Paketzustellung gehört somit zu dem systemerhaltenden, stark migrantisch geprägten Branchen, wie auch Pflege und Gebäudereinigung. Die ArbeitnehmerInnen dieser Branchen haben Österreich sprichwörtlich durch die Krise getragen, aber bis dato kaum Anerkennung erhalten, im Gegenteil: Oft wurden ihre Arbeits- und Menschenrechte in der Pandemie noch weiter beschnitten.

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