Gesunde Arbeit

„Bessere Arbeitsbedingungen für FahrradbotInnen!“

Nicht nur in Zeiten von Corona haben Essenszustelldienste Hochkonjunktur. Adele Siegl ist Fahrerin, Betriebsratsvorsitzende des Lieferservice Mjam und Aktivistin beim Riders Collective – einer Gewerkschaftsinitiative, die sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Branche einsetzt.
Essenszustelldienste: „Im ArbeitnehmerInnenschutz gibt es großen Nachholbedarf.“
Fahrradbote Essenszustelldienste: „Im ArbeitnehmerInnenschutz gibt es großen Nachholbedarf.“

Warum und wie sind Sie Betriebsrätin geworden?
Der Job als Fahrradbotin hat mir Spaß gemacht und es gab eine mehr oder minder lebendige Gemeinschaft unter den KollegInnen. Allerdings wurden die Arbeitsbedingungen immer schlechter und wir hatten keine Mitsprachemöglichkeit. Um die Freude am Job zu behalten, mussten wir etwas tun.

Was sind die häufigsten Themen bei Ihrer Betriebsratsarbeit?
Es gibt bei Mjam „echte“ – auf Basis eines Arbeitsvertrags angestellte – und freie DienstnehmerInnen. Als Betriebsrätin kann ich am meisten für „echte“ DienstnehmerInnen etwas tun. Meine Schwerpunktthemen sind hier: Transparenz von Trinkgeld und Kilometergeld-Berechnungen; faire, korrekte und pünktliche Entlohnung; sichere und würdevolle Arbeitsbedingungen, wie etwa die Entlastung unserer Rücken; Schlechtwetterprotokolle; aber auch die Information zu Überwachungs- und Disziplinarmaßnahmen. Was ich in diesen Bereichen erreiche, gilt auch für freie DienstnehmerInnen, allerdings nur eingeschränkt. ArbeitnehmerInnenschutz ist aktuell ein heißes Thema, denn zu viele KollegInnen haben in den letzten sechs Jahren, nach relativ kurzer Zeit und wegen Gesundheitsproblemen, gekündigt. Typische Gründe waren meistens Abnützungserscheinungen der Knie oder des Rückens, aber auch Folgeschäden nach Arbeitsunfällen.

Wie können die Arbeitsbedingungen von FahrradbotInnen verbessert werden?
Zum einen über Kollektivverträge, da sind wir in Österreich in einer glücklichen Lage mit der Sozialpartnerschaft und funktionierenden Behörden. Ein weiterer Teil muss aber auch in den Betrieben selbst behandelt werden. Beispielsweise gibt es im ArbeitnehmerInnenschutz großen Nachholbedarf. Eine fachgerechte Evaluierung von Arbeitsmitteln (Ausrüstung, Räder, Transportbehälter) und notwendigen Räumlichkeiten würde die Problemfelder als auch die notwendigen Maßnahmen klar aufzeigen. Ein weiterer und sehr wichtiger Teil ist die Gemeinschaftsarbeit, damit KollegInnen ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln und sich als Teil dieser Gemeinschaft begreifen können.

Wo hakt es hierbei und was müsste sich ändern?
Am meisten hakt es eigentlich daran, dass viele KollegInnen nicht ausreichend gut Deutsch sprechen oder sich vom freien Dienstvertrag fangen lassen. Dieser verspricht schnelles Geld und Flexibilität – birgt aber leider auch sehr viel Risiko in sich. Ökonomischer Druck sorgt für immer weniger Zeit, Energie und Motivation, um arbeitspolitisch aktiv zu werden und sich zu organisieren. Individuelles Glück und schnelles Geld scheinen oft wichtiger als kollektive und nachhaltige Verbesserungen zu sein. Durchschnittlich bleibt ein/eine RiderIn nur zwei Monate im Job. In der Betriebsratstätigkeit braucht man daher viel Geduld und Durchhaltevermögen. Zukünftig braucht es weitere Verbesserungen, wie eine generelle Arbeitszeitverkürzung, gesetzliche Schutzmaßnahmen und umfassende Bildungsarbeit.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Johanna Klösch, AK Wien

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