Gesundes Arbeiten bei Haberkorn
Andrea Allerdings hat es sich in einem Liegestuhl bequem gemacht. Sie schließt ihre Augen und begibt sich auf eine Gedankenreise. „Meistens bin ich dann gedanklich irgendwo in den Bergen unterwegs“, erzählt sie. Sie nutzt den Ruheraum, der den rund 500 Beschäftigten am Standort der Firmenzentrale von Haberkorn in Wolfurt in Vorarlberg zur Verfügung steht, fast täglich im Anschluss an das Mittagessen in der Kantine. „Da reichen wirklich zehn bis 15 Minuten Meditation, danach fühle ich mich wieder richtig fit.“
Auch andere Angebote ihres Arbeitgebers nützt Allerdings, die für die Sortimentskommunikation im Bereich Arbeitsschutz zuständig ist, wo Haberkorn eine breite Produktpalette von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und Services anbietet, intensiv. Yoga diene etwa der Entspannung, die wöchentliche Einheit Raw Fitness wiederum der Fitness. Vor allem aber schweiße der Sport die Kolleg:innen zusammen, „das stärkt auch das Betriebsklima“.
Dass Haberkorn als Arbeitgeber vieles richtig macht, zeigt das seit Jahren gute Abschneiden bei der „Great place to work“-Zertifizierung. An diesem Wettbewerb nehme man nicht teil, um ausgezeichnet zu werden, „sondern, weil das Feedback wertvoll ist und weil wir da die Chance haben, auch zu sehen, wie wir in Relation zu anderen stehen“, erklärt Vorstand Christoph Winder. Gemeinsam mit den jährlichen Mitarbeiter:innengesprächen ergebe sich ein Gesamtbild.
Das Unternehmen bemühe sich in der Folge, die Erkenntnisse aus beiden Evaluierungsinstrumenten in die Optimierung der firmeninternen Prozesse einfließen zu lassen. Ziel sei dabei nicht eine höhere Produktivität. „Ein Familienunternehmen macht aus, langfristig zu denken. Und das bedeutet, beziehungsorientiert und sehr menschlich zu agieren“, so Winder.
Umfangreiches Angebot Betriebliche Gesundheitsförderung wird von Haberkorn daher auf den verschiedensten Ebenen gelebt. Einerseits gibt es eben Angebote von Yoga über Raucherentwöhnung bis zu gesundem Essen in der Kantine. Deren Inanspruchnahme werde nicht von oben verordnet, betont Winder, man stelle hier auf die Eigenverantwortung der Beschäftigten ab. Am meisten nachgefragt sei die Dienstrad-Aktion, berichtet Betriebsratsvorsitzender Michael Kettner. Die Kolleg:innen können dabei ein Fahrrad ihrer Wahl leasen, die Firma übernehme zunächst die Kosten und ihnen würden die Raten dann über vier Jahre jeden Monat vom Gehalt abgezogen.
Haberkorn bemüht sich aber auch, die Arbeit an sich so zu gestalten, dass sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer:innen gefördert werden. Dazu tragen einerseits Schulungen der Führungskräfte zu „gesundem Führen“ bei. Klassische Themen sind zudem das Zurverfügungstellen von höhenverstellbaren Tischen, wenn Arbeitnehmer:innen über Rückenschmerzen klagen, sowie Blendschutz vor Sonneneinstrahlung, erzählt die Leiterin des BGF-Teams, Simone Gebhard.
Im Rahmen der „Evaluierung psychischer Belastungen“ wurden Störungen und Lärm – die ein konzentriertes Arbeiten behindern – als besonders belastend im Bürobetrieb identifiziert. Im Rahmen der Errichtung neuer Büroräumlichkeiten wurden „Fokusarbeitsplätze“ (für Arbeiten, die besondere Konzentration erfordern) und „Telefon Cubes“ eingerichtet. „Wem der Geräuschpegel zu hoch ist, der kann sich hier nun ausklinken“, so die BGF-Verantwortliche. An den Fokusarbeitsplätzen fühlt man sich an die Ruhe in einer Bibliothek erinnert.
Das Gespräch mit Gebhard findet im Haberkorn-Garten statt, einem Rückzugsraum im Freien für die Belegschaft. Hier wurde vergangenen Herbst aus Lehm und Holz ein Pavillon errichtet. „Wir wollten erreichen, dass man auch im Industriegebiet nicht darauf vergisst, dass wir in Symbiose mit der Natur bleiben müssen.“
Vertrauenskultur und Entscheidungsspielräume Umgelegt auf die Mitarbeiter:innen bedeutet das für Vorstand Winder, alles zu tun, damit diese sich wertgeschätzt fühlen, aber auch, dass diese nicht kontinuierlich durch die Arbeit überlastet werden. Der Weg dahin: eine Vertrauenskultur, die auf Entscheidungsspielräume für die Arbeitnehmer:innen setzt, aber auch das Bemühen um Arbeitszeitflexibilität. Andrea Allerdings schätzt es zum Beispiel sehr, dass sie erst um 8.30 Uhr zu arbeiten beginnen kann.
Haberkorn gibt eine mögliche Arbeitszeit zwischen sechs und 20 Uhr vor. In diesem Rahmen können Mitarbeiter:innen in Absprache mit ihrem Team frei entscheiden, wann sie arbeiten. Davor und danach sollen die Arbeitnehmer:innen auch zu Hause den Laptop nicht mehr aufklappen. Stichwort zu Hause: Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, wurde auf Belegschaftswunsch stark ausgeweitet. Es kann von jenen in Anspruch genommen werden, die Bürotätigkeiten ausüben.
Ein Drittel der 500 Beschäftigten in Wolfurt ist allerdings in der Logistik tätig. Hier werden die Waren aus den Lagern geholt, verpackt und für den Versand vorbereitet. Diese Dienste seien in Schichten organisiert, da sei Flexibilität weniger möglich, räumt Gebhard ein. Dafür gebe es für die Arbeiter:innen, die hier eingesetzt seien, die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche, die sehr geschätzt werde. Die Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden sei in dem Fall an vier Tagen zu leisten.
Auch bei diesen Arbeitsplätzen wird natürlich auf gesundheitliche Aspekte geachtet und bei Bedarf optimiert. Als zum Beispiel eine der Mitarbeiter:innenbefragungen ergab, dass das Gewicht der zu verpackenden Waren oft mit bis zu 30 Kilogramm vor allem für Frauen zu schwer sei, habe man dafür gesorgt, das hier technische Hilfsmittel zum Einsatz kommen, betont Kettner als Betriebsratsvorsitzender.