Psychische Belastung am Arbeitsplatz: Die versteckte Gefahr
Psychische Belastungen am Arbeitsplatz nehmen seit Jahren zu, Coronapandemie, Krieg und andere Krisen, wie die Teuerungen, beschleunigen diesen Prozess zusätzlich. Die Arbeiterkammer Burgenland hat deshalb eine Studie beim IFES – den Arbeitsklima-Index – in Auftrag gegeben, um sich das Arbeitsklima und damit verbunden auch die psychische Gesundheit der burgenländischen Arbeitnehmer:innen in der Arbeitswelt einmal genauer anzuschauen. Dabei herausgekommen ist das, was im Vorfeld befürchtet wurde: Immer mehr Arbeitnehmer:innen fühlen sich ausgelaugt, überlastet und unter Druck gesetzt. In Punkten heißt das: Bei psychischem Stress ist es zu einer weiteren Zunahme um 10 Punkte auf 42 Punkte gekommen – und das, obwohl bereits im Vorjahr ein Anstieg zu verzeichnen war. AK-Burgenland-Präsident Gerhard Michalitsch zeigt sich besorgt: „Das Arbeitsklima ist auf einem historischen Tief und vor allem der psychische Stress wird zur immer größeren Belastung. Das ist eine Folge der Pandemie, aber auch davon, dass immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt wird.“
Arbeitsdruck steigt Besonders auffällig sind hier die Entwicklungen bei den Facharbeiter:innen aus Industrie, Gewerbe und Handwerk, welche vor allem unter Zeitdruck, Unplanbarkeit und ständigen unvorhersehbaren Veränderungen leiden. Das alles sind klare Anzeichen für hohen Arbeitsdruck und eine dünne Personaldecke – also viel Arbeit, aber wenig Arbeitnehmer:innen, um diese Arbeit zu stemmen. Zusätzlich kommt es bei dieser Gruppe aufgrund der Teuerung zum Verlust von sehr zentralen Motivationsfaktoren, nämlich der Leistbarkeit von eigenem Wohnraum sowie von Konsumgütern wie etwa Autos. Die Teuerung belastet aber natürlich nicht nur diese Gruppe. Bei Arbeitnehmer:innen, die bereits ein eher niedriges Einkommen generieren, wirkt sich die Teuerung gleich doppelt negativ aus und ist ein zusätzlicher beruflicher Stressfaktor. Betroffen davon sind laut Studie vor allem Personengruppen mit formal niedrigeren Bildungsabschlüssen, Arbeiter:innen sowie Beschäftigte im Handel. Die derzeit hohe Inflation befeuert diesen Stress noch zusätzlich.
Krank arbeiten macht krank Arbeitsbedingte psychische Belastungen und die in der Folge auftretenden Erkrankungen sind aber keine Neuheit und nehmen seit Jahren zu. Allein die Krankenstände aufgrund arbeitsbedingter psychischer Belastungen sind gesamtwirtschaftlich mit rund 3,3 Milliarden Euro jährlich zu beziffern. Was ebenfalls auffällt, ist, dass Arbeitnehmer:innen immer häufiger krank ihren Job ausüben – auch hier spielt der psychische Druck mit. Mag.a Brigitte Ohr, gesundheitspolitische Referentin der AK Burgenland, meint dazu: „Die Studie des Arbeitsklima-Index erhebt auch die Frage, ob Arbeitnehmer:innen öfters oder manchmal krank zur Arbeit gehen. Während vor der Pandemie die Beschäftigten im Burgenland für die Jahre 2017 bis 2019 durchschnittlich rund zu einem Drittel krank oder gesundheitlich eingeschränkt ihre Arbeit ausgeübt haben, sind es seit dem Jahr 2020 bis heute rund 50 Prozent (!), die fallweise oder öfters krank arbeiten. Auffallend sind hier die betroffenen Branchen Tourismus und Eisen/Metall. Als Gründe geben die Arbeitnehmer:innen an, ihre Kolleg:innen nicht überlasten zu wollen, aber auch Angst, den Job zu verlieren.“ Das macht es für Arbeitnehmer:innen oft schwierig, sich die Zeit zu nehmen, die sie brauchen, um gesund zu werden. Oftmals kommt es dann zum Teufelskreis: Man ist körperlich krank, ruht sich nicht aus, arbeitet weiter, und durch den Stress schlägt sich das dann auf die Psyche. „Solidarität unter Kolleg:innen ist wichtig, darf aber nicht dazu führen, dass Menschen sich krank in die Arbeit schleppen. Da braucht es statt Druck schon auch die Solidarität des Arbeitgebers in Form von mehr Personal und Entlastungsmaßnahmen!“, appelliert Michalitsch an die Arbeitgeber:innen.
Vorsicht ist besser als Nachsicht Auch wenn es schon einige Studien zum Thema psychische Belastung in der Arbeit gibt, scheint das Thema in der Arbeitswelt noch nicht wirklich angekommen zu sein. Ein Ende der Krankenstände aufgrund von Burn-out, Depression und Co. ist nämlich derzeit nicht absehbar. Deshalb sollte man das Augenmerk nicht nur auf körperliche Krankheiten lenken, sondern psychische Belastungen in der Arbeitswelt ernst nehmen. Diese arbeitsbedingten psychischen Belastungen gehören nämlich zu den unterschätzten Gefahren der Arbeitswelt. Sie verursachen nicht nur enormes Leid für Beschäftigte, sondern auch hohe betriebs- und volkswirtschaftliche Kosten – es lohnt sich also, bereits vor der Überlastung der Arbeitnehmer:innen gewisse Punkte zu beachten:
- Der Mensch hat natürlich vorgegebene Leistungsgrenzen. Die Arbeit und Arbeitsumgebung haben sich daher den Funktionen und Möglichkeiten des menschlichen Organismus anzupassen und nicht umgekehrt. Arbeit ist so zu gestalten, dass die Arbeitnehmer:innen psychisch sicher und gesund ihrer Tätigkeit nachgehen können. Die Schutzbestimmungen sind bezogen auf die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu konkretisieren und anzupassen.
- Die Regelungen zur Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen sollen mittels Durchführungsverordnung konkretisiert werden (dazu zählen Konkretisierung der Verantwortlichkeit, verbindliche Prozessstandards und Klarstellung der inhaltlichen Dimensionen – zum Beispiel Arbeitszeit, Beurteilungs- und Gestaltungskriterien von Schutzmaßnahmen). Eine Einbindung von Arbeits- und Organisationspsycholog:innen ist ebenfalls sinnvoll.
- Auch eine verpflichtende Nachevaluierung für die Rückkehr von Arbeitnehmer:innen nach psychischen Erkrankungen macht Sinn.
Abschließend kann man also sagen, dass die psychische Gesundheit in der Arbeitswelt noch weiter in den Fokus gerückt werden muss. Denn nur ein physisch und psychisch gesunder Mensch ist auch ein glücklicher.