Gesunde Arbeit

Psychische Belastungen enorm hoch – Arbeitszufriedenheit auf Tiefststand

Zeitdruck, Unplanbarkeit und Personalmangel – die Zufriedenheit der burgenländischen Arbeitnehmer:innen befindet sich laut Arbeitsklima-Index 2022 im historischen Sinkflug. Hauptgründe sind der steigende psychische und physische Stress. Außerdem belasten die Beschäftigten die Unplanbarkeit und die Tatsache, dass immer mehr Kolleg:innen ihren Beruf aufgrund der zu hohen Belastungen nicht bis zur Pension ausüben können.
Extreme Belastungen und anhaltender Personalmangel bringen die Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich an ihre Grenzen.
Psychische Belastungen enorm hoch Extreme Belastungen und anhaltender Personalmangel bringen die Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich an ihre Grenzen.

Das Arbeitsklima im Burgenland wird immer schlechter – das ging aus der Studie des IFES-Instituts, die von der AK Burgenland in Auftrag gegeben worden war, hervor. Der Arbeitsklima-Index sank 2022 auf 98 Bewertungspunkte und liegt damit sogar um vier Punkte unter dem gesamtösterreichischen Wert. Hauptfaktor für diese Unzufriedenheit ist vor allem der psychische Stress, der weiter gestiegen ist und auch deutlich höher liegt als in ganz Österreich. Dieser hat um 10 weitere Punkte auf 42 zugenommen – und das nach einem Anstieg um 13 Punkte im Vorjahr gegenüber 2020. Der Innovationsstress ist 2022 sogar um 11 Punkte gestiegen, alles Anzeichen für einen hohen Arbeitsdruck und eine dünne Personaldecke. Die Folge ist fehlende Planbarkeit und das ständige Improvisieren im Job, was ebenfalls belastet.

Am stärksten kann man das bei Fachkräften mit Lehre und Fachschulabschluss in Industrie, Gewerbe bzw. Handel erkennen. Bis vor Kurzem war die Pandemie ein Grund dafür. Jetzt wird noch ein anderer Grund klar ersichtlich: der Rückgang in der Lehrlingsausbildung und das damit einhergehende Fehlen von Fachkräften. 1980 gab es im Burgenland noch über 5.200 Lehrlinge, im Vorjahr waren es nur mehr 2.547. Die öffentliche Hand hat diese Auswirkungen mit überbetrieblichen Lehrwerkstätten lange hinauszögern können. Aber heute ist diese Krise in den Betrieben angekommen. „Der selbst verschuldete hohe Fachkräftebedarf ist nicht nur eine Herausforderung für die Unternehmen, sondern auch eine Belastung für Kolleg:innen, die nun die gleiche Arbeit mit weniger Personal machen müssen“, kritisiert AK-Präsident Gerhard Michalitsch.

Um die Situation zu verbessern, braucht es eine Kraftanstrengung bei der Lehrlingsausbildung, aber auch bei der betrieblichen Weiterbildung, um Qualifizierungslücken zu schließen. Seit der Pandemie haben Unternehmen die Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigte sehr stark zurückgefahren. Der Arbeitsklima-Index zeigt, dass diese Tatsache Arbeitnehmer:innen stark belastet, da die Angst wächst, von anderen ersetzt zu werden.


Krank zur Arbeit Dieser Druck führt auch dazu, dass die Menschen immer öfter krank in die Arbeit gehen – auch aus Solidarität mit den Kolleg:innen, um sie nicht alleinzulassen. Das bestätigen auch die Daten des Gesundheitsmonitors: Dieser sogenannte „Präsentismus“, also krank zu arbeiten, ist seit der Pandemie sprunghaft gestiegen. Während österreichweit zwischen 2017 und 2019 dieses für die Beschäftigten negative Phänomen bei rund einem Drittel lag, ist seit der Pandemie von 2020 bis 2022 das „krank zur Arbeit gehen“ auf 50 % gestiegen. Branchen, in denen auffällig oft krank gearbeitet wird, sind im Burgenland insbesondere der Tourismus (53 %), aber auch die Branche Eisen/Metall (57 %).

Gesundheitsbereich besonders betroffen Auch im Gesundheits- und Pflegebereich wird es immer belastender, was sich ebenfalls im Arbeitsklima-Index abzeichnet. Bei zahlreichen Betriebsbesuchen schildern die Beschäftigten ihre Lage. Extreme Belastungen und anhaltender Personalmangel bringen die Arbeitnehmer:innen an ihre Grenzen. Das Gesundheitspersonal klagt über psychische und physische Belastung, Druck und Stress. Selbst Gewalterfahrungen wie Handgreiflichkeiten oder Beschimpfungen bleiben nicht aus. Auch die Wertschätzung schwindet. Sie leiden unter der schwierigen Gesamtsituation. „Nur 55 Prozent der befragten Arbeitnehmer:innen im Gesundheitswesen können sich vorstellen, in ihrem jetzigen Beruf in Pension zu gehen“, informiert die gesundheitspolitische Referentin in der AK Burgenland, Mag.a Brigitte Ohr.
Eine weitere österreichische Studie besagt, dass Personen im gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege durchschnittlich gerade einmal sechs Jahre im Beruf verweilen. Seit der Pandemie denkt fast jede oder jeder Zweite an einen Berufsausstieg. „Diese Situation führt zu einer Negativspirale. Das verbleibende Personal muss ständig einspringen, hat keine Erholungsphasen, wird krank oder kündigt wegen der hohen Belastung“, beschreibt AK-Präsident Gerhard Michalitsch die Situation aus zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen. Er fordert den zuständigen Minister auf, endlich zu handeln und im Pflegebereich Maßnahmen für bessere Arbeitsbedingungen zu setzen, denn bisher gab es keine Verbesserung der Gesamtsituation. „Die körperliche und psychische Belastung überschreitet unsere Grenzen! Wir brauchen endlich mehr Geld, mehr Personal und deutlich bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegeberufe“, plädiert auch AK-Vizepräsidentin Bianca Graf, selbst diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin im Krankenhaus Oberwart, für bessere Arbeitsbedingungen. Sie fordert wirksame Maßnahmen, um die psychische und physische Gesundheit deutlich zu verbessern. Auch bei der Arbeitszeit muss nachgebessert werden. Dazu soll es einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich geben.


Die unterschätzte Gefahr Arbeitsbedingte psychische Belastungen und die in der Folge auftretenden Erkrankungen gehören zu den unterschätzten Gefahren der Arbeitswelt. Sie verursachen nicht nur enormes Leid für Beschäftigte, sondern auch hohe betriebs- und volkswirtschaftliche Kosten. Allein die Krankenstände aufgrund arbeitsbedingter psychischer Belastungen sind gesamtwirtschaftlich mit rund 3,3 Milliarden Euro jährlich zu beziffern. „Ein Ende der Krankenstände aufgrund von Burn-out, Depression und Co. ist derzeit nicht absehbar. Deshalb sollte man das Augenmerk nicht nur auf körperliche Krankheiten lenken, sondern psychische Belastungen in der Arbeitswelt viel ernster nehmen“, so AK-Präsident Michalitsch abschließend.

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