Digitalisierung: „Luft nach oben bei der Arbeitsplatzevaluierung“
Das Forum Prävention ist ein wichtiger Treffpunkt für alle in der betrieblichen Prävention engagierten Personen. Was sind diesmal die Highlights? Das Forum Prävention findet heuer vom 4. bis 6. Juni im Congress in Innsbruck statt. Hauptthema ist die Digitalisierung, bei dem die AUVA mit ihrem Schwerpunkt die EU-OSHA-Kampagne „Sicher und gesund arbeiten in Zeiten der Digitalisierung“ unterstützt. Weitere Themen sind „Vision Zero“ der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) und moderne Präventionskonzepte – wie etwa Safety II. Dieses Konzept wurde vom dänischen Wissenschafter Erik Hollnagel entwickelt. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, was wir aus gut gelungenen Arbeitsvorgängen lernen können.
Die drei Themen werden sowohl im Plenum als auch von den Arbeitsgruppen aufgegriffen und in zahlreichen Vorträgen behandelt. Darüber hinaus gibt es wieder ein Internationales Seminar gemeinsam mit IVSS-Sektionen und das Symposium der Gesellschaft für Sicherheitswissenschaften. Die Keynote kommt heuer vom Trendforscher Franz Kühmayer, die sich mit der Zukunft der Arbeit – in Verbindung mit den aktuellen Trends Digitalisierung und speziell KI – befassen wird.
Ergänzt wird das Vortragsprogramm durch die Ausstellung „Prävention aktuell“, bei dem ein Überblick über aktuelle und neueste Produkte des Arbeitnehmer:innenschutzes angeboten wird. Und auch für das wichtige Netzwerken wird genügend Raum geboten.
Die Arbeitswelt verändert sich rasant und unterliegt einem ständigen Wandel (Stichwort Digitalisierung). Was muss getan werden, damit die Arbeit auch unter diesen Bedingungen als menschengerecht bezeichnet werden kann? Im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ist ein Mechanismus eingebaut, der auf Neuerungen, geänderte Verfahren oder Bedingungen reagieren soll – die Arbeitsplatzevaluierung. Die Evaluierung hat auch „neue“ potenzielle Gefährdungen durch die Digitalisierung zu berücksichtigen. Wir haben in Vorbereitung auf den aktuellen Schwerpunkt der AUVA Sicherheitsfachkräfte, Arbeitsmediziner:innen und Arbeitspsycholog:innen befragt, wie oft dieses Thema bereits in ihren Betrieben behandelt wurde. Dabei zeigte sich, dass diese Frage bei nur 25 Prozent der Befragten mit „ja“ oder „eher ja“ beantwortet wurde. Hier ist also noch Luft nach oben gegeben.
Bei vielen Arbeitsplätzen sind Maßnahmen bekannt und auch klar geregelt (z. B. Ergonomie im Homeoffice). In anderen Bereichen (z. B. beim Einsatz von künstlicher Intelligenz) kennen wir nur grundsätzliche Prinzipien, die für eine menschengerechte Arbeit erhalten bleiben sollen: Hier gilt, dass der Mensch von Vorschlägen, die durch die KI produziert werden, profitieren kann, wenn der Mensch selbst die Entscheidungshoheit behält. Wir müssen uns aber auch noch intensiv um die Überwachung und den ausreichenden Datenschutz kümmern. In diesen Bereichen könnte die Digitalisierung zusätzliche psychische Belastungen mit sich bringen oder sie verschärfen. Das ist aber alles nicht schwarz oder weiß zu sehen. Wie bei allen Entwicklungen gibt es Vor- und Nachteile. So können etwa digitale Positionssysteme für gefährliche Alleinarbeitsplätze bei den Beschäftigten für erhöhte Sicherheit und ein verbessertes Sicherheitsgefühl sorgen. Sie ermöglichen das Tracking der Beschäftigten in Echtzeit und mit hoher Genauigkeit, was bei Unfällen Leben retten kann. Mit den Trackingdaten könnte man aber bei missbräuchlicher Verwendung auch anderes auswerten, was dann zum Nachteil der Beschäftigten genutzt werden könnte.
Die neue Berufskrankheitenliste wurde erst vor wenigen Wochen im Nationalrat als „Berufskrankheiten-Modernisierungs-Gesetz“ beschlossen. Welche Neuerungen sind dabei wichtig? Der Beschluss bringt eine Aktualisierung und Erweiterung der Liste um vier neue Berufskrankheiten. Bei den neuen Berufskrankheiten ist der Hautkrebs durch UV-Exposition wahrscheinlich die wichtigste Neuerung. Hier gab es in der Vergangenheit einige „Generalklauselfälle“ – daher war die Aufnahme in die Liste eigentlich längst fällig.
In der AUVA bauen wir gerade ein einheitliches System für die Beurteilung dieser Krankheit auf. Wir haben in den letzten Jahren Hunderte von Messungen zur UV-Belastung von Outdoor-Workern gemacht. Auch sind wir in sehr guter Zusammenarbeit mit unseren deutschen Kolleg:innen der DGUV. Auf deren mehrjährigem Messprogramm zur UV-Belastung können wir sehr gut aufsetzen und dieses um die österreichischen Spezifika ergänzen.
Die Bestimmungen des neuen Gesetzes gelten rückwirkend ab dem 1. März 2024. Es kann sogar Leistungen der AUVA geben, obwohl der Fall zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal abgelehnt wurde, weil damals diese vier neuen Berufskrankheiten noch keine Listenpositionen waren.
Die Prävention ist hierzulande gesetzlich auf Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten limitiert. Warum nimmt die AUVA Deutschland nicht als Vorbild und kümmert sich auch um arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren? Wir kümmern uns im Sinne der Prävention schon seit vielen Jahren auch um die arbeitsbedingten Erkrankungen. Diese Erkrankungen kosten die AUVA auch sehr viel (2022: 126,4 Mio. Euro), weil wir im Rahmen der Entgeltfortzahlung für Kleinbetriebe Zuschüsse für diese Krankenstände leisten müssen. AUVAsicher kümmert sich über den Betreuungsauftrag, der über die Inhalte des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes festgelegt ist, auch um die Prävention von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren in den Kleinbetrieben. Richtig ist allerdings, dass das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für die Unfallversicherung nur zwei Versicherungsfälle (Arbeitsunfall und Berufskrankheit) kennt. Hier könnte der Gesetzgeber den Auftrag – ähnlich wie in Deutschland – verstärken.
Vielen Dank für das Gespräch!
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