Gesunde Arbeit

Neue, gesunde Vollzeit für alle!

Die Mehrheit der Arbeitnehmer:innen in Österreich wünscht sich kürzere Arbeitszeiten – das ergab eine Umfrage der Arbeiterkammer. Mehrere Betriebe haben die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich bereits verkürzt. Dort zeigt sich: Die Arbeitnehmer:innen in diesen Betrieben sind zufriedener und damit auch gesünder.
In der Hotellerie führt das Parkhotel Hirschwang in Reichenau seit Jahresbeginn vor, dass sich eine moderate Arbeitszeitverkürzung verbunden mit einer 4-Tage-Woche auch gut auf die Personalsituation auswirkt.
AK-Präsidentin Renate Anderl tritt für eine neue, gesunde Vollzeit ein.
74 Prozent der Beschäftigten möchten 25 bis 30 Stunden pro Woche arbeiten.
Gäste an der Hotelrezeption In der Hotellerie führt das Parkhotel Hirschwang in Reichenau seit Jahresbeginn vor, dass sich eine moderate Arbeitszeitverkürzung verbunden mit einer 4-Tage-Woche auch gut auf die Personalsituation auswirkt.
AK-Präsidentin Renate Anderl AK-Präsidentin Renate Anderl tritt für eine neue, gesunde Vollzeit ein.
Infografik Arbeitswunsch bei genereller Arbeitszeit von 30 Stunden 74 Prozent der Beschäftigten möchten 25 bis 30 Stunden pro Woche arbeiten.

Vollzeitkräfte arbeiten hierzulande durchschnittlich 40,8 Stunden pro Woche. Damit liegt Österreich deutlich über dem Schnitt im Euroraum von 39,4 (Eurostat, EU 20). Österreich gehört damit zu den Ländern mit der höchsten Vollzeit-Stundenzahl (inklusive Überstunden). Die hart erkämpfte Einführung der 40-Stunden-Woche 1975 wurde 2018 von ÖVP und FPÖ zwar nicht abgeschafft, aber doch ein Stück ausgehebelt: Mit dem Ermöglichen von 60-Stunden-Wochen und 12-Stunden-Tagen gerieten viele Arbeitnehmer:innen unter immensen Druck.

Und dieser Druck kann krank machen, wie auch der österreichische Arbeitsklima-Index belegt: Drei Viertel der Personen, die mehr als 45 Stunden pro Woche arbeiten, klagen über Rückenschmerzen und Muskelverspannungen im Nacken- und Schulterbereich. Mehr als die Hälfte der Betroffenen leidet an Schlafstörungen und unter Erschöpfung. Arbeitsmedizinische Studien zeigen zudem, dass Arbeitnehmer:innen, die regelmäßig 50 Stunden oder mehr arbeiten, ein erhöhtes Risiko für psychische und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen. Viele Stunden Arbeit an einem Tag führen auch zu mehr Unfällen.

Die AK setzt sich daher für „eine neue, gesunde Vollzeit“ ein, so AK-Präsidentin Renate Anderl. Auch Arbeitnehmer:innen würden eine Arbeitszeitverkürzung mehrheitlich begrüßen, wie eine Online-Umfrage unter 4.700 Personen im Auftrag der AK Ende 2022 belegt. Auf besonders hohe Akzeptanz stieß dabei eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Das sei weder finanzierbar noch gäbe es für so ein Modell ausreichend Arbeitskräfte, tönt es dann sofort aus der Wirtschaft. Dabei gibt es Unternehmen, die schon einen Schritt in diese Richtung gemacht haben – und gut damit fahren.


Vorzeigeunternehmen eMagnetix
Vorreiterin in Sachen neue Arbeitszeitmodelle ist die im Mühlviertel ansässige Onlinemarketing-Agentur eMagnetix, die derzeit etwas mehr als 40 Personen beschäftigt. 2018 führte das Unternehmen die 30-Stunden-Woche ein, und dies bei vollem Lohnausgleich. Für das Team gilt dabei maximale Arbeitszeitflexibilität: Die einen arbeiten vier Tage in der Woche, die anderen fünf. Manche kommen jeden Tag ins Büro, andere nutzen die großzügige Homeoffice-Option. „Was wir haben, ist eine Kernarbeitszeit von Dienstag bis Donnerstag zwischen neun und zwölf Uhr“, erläutert Stefan Mitmansgruber, Mitglied des Managements. Wichtig ist der Leitung allerdings, dass spätabends und vor sechs Uhr morgens niemand arbeitet. Was auch nicht erwünscht ist: Arbeitstage mit zehn Stunden. „Sonst würde der Effekt verpuffen“, betont Mitmansgruber.

Was aber sind die Effekte dieser Maßnahmen? Das Beratungsunternehmen XIMES hat das Arbeitszeitmodell von eMagnetix evaluiert. Demnach wirkte sich die Arbeitszeitverkürzung positiv auf die Zufriedenheit, Motivation und Work-Life-Balance aus – und damit auch auf die Gesundheit. Zwei Drittel der Mitarbeiter:innen gaben etwa an, nun mehr Zeit für gesunde Ernährung aufzuwenden, 40 Prozent schlafen länger. „Das ist wirklich ein positives Beispiel“, sagt die Arbeitspsychologin Anna Arlinghaus, Beraterin bei XIMES.

Sie kennt aber auch Unternehmen, wo eine Arbeitszeitumstellung nicht so gut funktionierte. „Man muss das vorher gut durchdenken“, betont sie, denn ohne begleitende Maßnahmen gehe es nicht. Für den einen Betrieb heiße das, zu prüfen, welche Aufgaben automatisiert erledigt werden können. Andere Firmen müssten den Kund:innenverkehr einschränken oder bräuchten zusätzliches Personal. Dem stimmt auch Mitmansgruber zu. Er ist aber überzeugt: Wo ein Wille, da ein Weg.


Wettbewerbsvorteil bei der Personalsuche
In der Hotellerie führt das Parkhotel Hirschwang in Reichenau seit Jahresbeginn vor, dass sich eine moderate Arbeitszeitverkürzung verbunden mit einer 4-Tage-Woche auch gut auf die Personalsituation auswirkt. Hier arbeiten rund 60 Beschäftigte, davon neun Lehrlinge, und es seien derzeit fast alle Stellen besetzt, schildert Nicole Emmelschuh, im Hotel für Marketing zuständig. Dazu trage auch die Dienstplansicherheit bei, um die man sich bemühe. „Jeweils am 20. eines Monats gibt es den Plan für den nächsten Monat.“ Ob sich das neue Modell auch auf die Zahl der Krankenstandstage ausgewirkt habe, sei zwar noch nicht messbar, aber von der Belegschaft gebe es nur positive Rückmeldungen. Und Christian Farthofer, stellvertretender Direktor der AK Niederösterreich, die das Hotel betreibt, betont: „Unsere Mitarbeiter:innen sollen gesund in die Arbeit kommen und gesund von der Arbeit gehen, und das nicht nur jeden Tag, sondern ein ganzes Leben lang.“

Markus Koblmüller ist Gründer und CEO von teamecho in Linz, einem Unternehmen mit 25 Beschäftigten, das ein Software-Tool zum kontinuierlichen Erheben der Mitarbeiter:innenzufriedenheit in Betrieben anbietet. teamecho hat die Arbeitszeit auf 35 Stunden reduziert, wobei freigestellt wird, ob diese auf vier oder fünf Tage aufgeteilt werden. Auch hier wird darauf geachtet, dass Einzelne nicht zu viele Überstunden anhäufen und nachts nicht gearbeitet wird. Daten zu Krankenständen habe man nicht systematisch erhoben, so Koblmüller, „aber die Mitarbeiter:innen haben uns rückgemeldet, dass sie zufriedener und gesünder sind, mehr Freizeit haben und sich effizienter auf Dinge konzentrieren können, die wichtig sind“. All das erhöhe auch die Arbeitgeberattraktivität – in Zeiten hoher Fachkräftenachfrage ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.

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