Gesunde Arbeit

Arbeitsklima im Tourismus

IFES hat für AK und vida auch heuer die Daten des österreichischen Arbeitsklimaindex (AI) speziell für die Beschäftigten im Tourismus ausgewertet und analysiert. Die aktuellen Ergebnisse spiegeln eine leicht steigende Arbeitszufriedenheit wider. Dennoch liegt die Zufriedenheit in der Branche weiterhin deutlich unter dem Schnitt der österreichischen Beschäftigten insgesamt.

Der Blick auf die Details zeigt, dass die Entwicklungen in einzelnen Aspekten durchaus unterschiedlich verlaufen: Zunehmender Zufriedenheit mit dem Führungsstil sowie mit der Arbeit und dem Leben insgesamt auf der einen Seite stehen steigende Arbeitsbelastungen und insbesondere ein signifikantes Sinken der subjektiven Arbeitsmarktchancen auf der anderen Seite gegenüber. Damit ist ein verbliebener Bonus, den der Tourismus im Vergleich mit anderen Branchen immer noch aufweisen konnte, praktisch nicht mehr vorhanden. Die Arbeitsbelastungen im Tourismus zeigen sich auch an einer Reihe von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die von den Betroffenen unmittelbar mit ihrer Berufstätigkeit in Zusammenhang gebracht werden.

Beschäftigungswachstum stagniert
Fürs Erste vorbei dürfte es mit dem überdurchschnittlichen Beschäftigungswachstum im Tourismus sein. 2012 und auch im ersten Halbjahr 2013 lag das Wachstum der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Tourismus noch deutlich über drei Prozent. Aber bereits im zweiten Halbjahr 2013 schwächte sich der Zuwachs merklich ab und im ersten Halbjahr 2014 kam er mit nur 0,2 Prozent fast ganz zum Stillstand (Statistik Hauptverband).

„Haben wir in den letzten Jahren den Tourismus als Garant für das Beschäftigungswachstum gesehen, so müssen wir jetzt feststellen, dass dieser Jobmotor ins Stottern gekommen ist“, betonen AK Präsident Rudi Kaske und der Vorsitzende der vida-Bundesfachgruppe Tourismus Rudolf Komaromy. „Damit geht der Tourismusbranche ein letzter wesentlicher Vorteil gegenüber anderen Branchen verloren: Nämlich dass die Beschäftigten relativ leicht wieder einen neuen Arbeitsplatz in der Branche finden.“

Mehr geringfügige Beschäftigung
Stark zugenommen hat im Tourismus die geringfügige Beschäftigung (knapp drei Prozent). Damit sind inzwischen 22 Prozent aller unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse im Tourismus unter der Geringfügigkeitsgrenze. Um über vier Prozent gestiegen ist die Ausländerbeschäftigung. Der Ausländeranteil im Tourismus liegt damit bei rund 45 Prozent.

Arbeitslosigkeit im Steigen
Im ersten Halbjahr 2014 ist im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013 die Arbeitslosigkeit im Tourismus mit rund 13 Prozent stärker gestiegen als in der Gesamtwirtschaft (knapp 12 Prozent). Sie lag um 4.700 Betroffene höher als im ersten Halbjahr 2013. Im Beherbergungswesen stieg die Zahl der Arbeitslosen um über 1.650 und in der Gastronomie um über 3.000. Die Arbeitslosenquote im Tourismus betrug im ersten Halbjahr 2014 17,2 Prozent, in der Gesamtwirtschaft betrug sie 8,5 Prozent.Vom Anstieg der Arbeitslosigkeit waren Ausländer (plus 22 Prozent) stärker betroffen als Inländer (plus 9 Prozent). Dennoch entfällt derzeit mit knapp zwei Dritteln der Großteil der Arbeitslosigkeit im Tourismus auf Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft.

Bessere Rahmenbedingungen gefragt
„Wenn die allgemeine Lebens- und Berufszufriedenheit niedriger als in anderen Branchen ist und es de facto null Karrierechancen gibt, sagt das viel über die Zustände und Rahmenbedingungen im Tourismus aus. Ich verlange einen respektvolleren Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen“, sagt AK Präsident Rudi Kaske, „Fehlen die individuellen Perspektiven, melden sich die Betroffenen früher oder später aus der Branche ab.“ Die Befragungsergebnisse zeigen, dass der Tourismus eine „Fluchtbranche“ ist. Die Erwartung einer innerbetrieblichen Entwicklung ist im Vergleich mit anderen Branchen mit Abstand niedriger, dafür ist die Alternative des Ausstiegs deutlich ausgeprägter.

„Die Betriebe sind gefordert, für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen und auch ihre Beschäftigten laufend weiterzubilden. Dadurch gibt es weniger Fluktuation im Unternehmen. Sie steigern dadurch die Qualität in ihrem Betrieb und die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Kaske, der in diesem Zusammenhang auch an die Arbeitgeberseite appelliert, endlich einen neuen Kollektivvertrag mit der Gewerkschaft abzuschließen. „Der Tourismus ist in Österreich nach wie vor eine Schlüsselbranche. Die Beschäftigten haben sich eine faire Entlohnung mehr als verdient“, sagt Kaske.

„Der Arbeitsklimaindex zeigt auch heuer wieder, dass die Rahmenbedingungen im Tourismus dringend zugunsten der Beschäftigten verändert werden müssen“, so auch Rudolf Komaromy, Vorsitzender der vida-Bundesfachgruppe Tourismus: „Zu massiven Verschlechterungen, wie sie im Rahmen der heurigen Kollektivvertragsverhandlungen von den Arbeitgebern verlangt wurden, kann die Gewerkschaft nur ganz klar Nein sagen. Die geforderte Verkürzung der Nachtruhezeit von elf auf acht Stunden würde für unzählige Beschäftigte nur mehr Teilzeitschlaf bedeuten. Und das in einem Job, der ohnehin überdurchschnittlich hohe physische und psychische Belastungen mit sich bringt, wie der Arbeitsklimaindex belegt. Dass ein Kellner bis spät in die Nacht im Einsatz ist und am nächsten Tag beim Frühstück schon wieder, mag aus Unternehmersicht vielleicht wünschenswert sein - aber es handelt sich hier um Menschen, die eine Ruhezeit brauchen, und nicht um Maschinen“, findet Komaromy klare Worte.

Unzufrieden mit dem Einkommen
Eine weitere Voraussetzung für mehr Arbeitszufriedenheit sind für den Gewerkschafter höhere Einkommen: „Der Mindestlohn liegt aktuell bei 1.320 Euro brutto, das ist bei einer 40 Stundenwoche ein Stundenlohn von gerade einmal 7,60 Euro brutto. Kein Wunder, dass die Beschäftigten laut Arbeitsklimaindex auch mit ihrem Einkommen massiv unzufriedener sind als in anderen Branchen“, so Komaromy. Belegt wird das auch durch die Verdiensterhebungsstruktur der Statistik Austria, demnach liegt der Bruttostundenlohn für das Hotel- und Gastgewerbe 38 Prozent unter dem österreichischen Durchschnittslohn.

„Wir können es nur gebetsmühlenartig Jahr für Jahr wiederholen: Verbessert sich bei Entlohnung und Arbeitsbedingungen nichts, wird das Hotel- und Gastgewerbe eine Fluchtbranche bleiben und auch für Lehrlinge immer unattraktiver werden, wie die Lehrlingsstatistik der letzten Jahre zeigt. Der Fachkräftemangel wird sich zuspitzen, ebenso der Verdrängungswettbewerb durch ‚billige‘ ungelernte Hilfskräfte“, hält Komaromy fest.

Entwicklung der Arbeitszufriedenheit im Tourismus
Der aktuelle AI-Wert liegt im Tourismus bei 103 Indexpunkten, vier Punkte unter dem Wert der Beschäftigten der sonstigen Branchen. 2007 lag der Tourismus mit einem Höchstwert von 111 noch exakt im Gesamtdurchschnitt. Mit der Wirtschaftskrise hat sich jedoch die Befindlichkeit im Tourismus deutlich stärker nach unten entwickelt als in den anderen Wirtschaftsbereichen und stagniert seither. Der marginale Zuwachs in der letzten Periode (2013-2014) beträgt im Tourismus einen Indexpunkt, während der entsprechende Wert für die heimischen Beschäftigten insgesamt um einen Punkt gesunken ist.

Der geringfügige Anstieg im Tourismus ist einerseits auf steigenden generellen Wirtschaftsoptimismus sowie auf eine erhöhte subjektive Statuszufriedenheit zurückzuführen. Wobei bei letzterem Punkt die Beschäftigten der Gastronomie und Hotellerie weiterhin signifikant unzufriedener sind als die Beschäftigten in anderen Branchen.

Ein gewisses Aufholen – allerdings auf niedrigem Niveau – gibt es bei den finanziellen Aspekten (Zufriedenheit mit Sozialleistungen und Einkommen). Die Abweichungen nach unten gegenüber den Beschäftigten in den anderen Branchen insgesamt sind aber weiterhin sehr hoch.
Stärker ansteigend ist unter den Tourismusbeschäftigten die allgemeine Lebenszufriedenheit sowie – ausgehend von einem im Vergleich mit anderen Branchen ebenfalls sehr niedrigen Niveau - die allgemeine Berufszufriedenheit.

Die Arbeitsbelastungen werden von den Tourismusbeschäftigten im Vergleich mit den anderen Branchen subjektiv geringer wahrgenommen. Allerdings haben etwa die körperlichen Belastungen und speziell die Innovationsbelastungen, also die durch tätigkeitsbezogene und organisatorische Veränderungen bewirkten Beanspruchungen gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die von den Beschäftigten subjektiv wahrgenommenen unterdurchschnittlichen Arbeitsbelastungen sind hauptsächlich mit einer höheren Belastbarkeit aufgrund des niedrigeren Durchschnittsalters zu erklären.

Tendenziell sinkend ist im Tourismus die Zufriedenheit mit dem Karriereaspekt, der durch die Indikatoren der Zufriedenheit mit der Weiterbildung sowie mit den Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten gebildet wird. In keinem anderen Teilaspekt des Arbeitsklimaindex liegen die Tourismusbeschäftigten - mit einer Minusdifferenz von 11 Indexpunkten - so weit hinter dem Durchschnitt der heimischen Beschäftigten insgesamt.


Bonus der guten Arbeitsmarktmöglichkeiten ist dahin
Der Berufsweg von Beschäftigten im Tourismus ist traditionell gekennzeichnet durch häufigere Berufsunterbrechungen, kürzere Beschäftigungsdauer beim selben Betrieb und entsprechend oftmalige Dienstgeberwechsel. Der Arbeitsmarkt bot dafür in der Regel auch ausreichende alternative Beschäftigungsmöglichkeiten. Dieser Bonus, der 2006 im Vergleich mit den Beschäftigten generell noch ein Plus von elf Indexpunkten ausmachte, hat sich nunmehr völlig aufgelöst.

Die – vergleichsweise jungen – Tourismusbeschäftigten haben inzwischen ebenso wenig Zuversicht, im Falle des Falles wieder eine adäquate Arbeitsstelle zu finden, wie der Durchschnitt der Beschäftigten in anderen Branchen. Hatten 2006 noch 61 Prozent der Tourismusbeschäftigten die Hoffnung, im Falle des Arbeitsplatzverlustes sehr oder eher leicht wieder einen entsprechenden Job zu finden, so ist der Anteil inzwischen auf weniger als die Hälfte (49 Prozent) zusammengeschmolzen.

Die eingeschränkteren Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt weisen auf eine sich verschärfende Konkurrenzsituation hin, wobei der Umstand fehlender Wechselalternativen im Tourismus mit seinen erschwerten Arbeitsbedingungen (lange Arbeitszeiten bei niedriger Entlohnung, familienfeindliche Arbeitszeitlagen oder ein schlechtes Betriebsklima) besonders zum Tragen kommt.

Gesundheitsbeeinträchtigungen oft durch die Arbeit verursacht
Erstmals werden mit dem aktuellen AI im Tourismus auch Aspekte des Arbeitsgesundheitsmonitors berücksichtigt, konkret die subjektiv empfundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen sowie deren vermuteter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit.

Demnach treten in Gastronomie und Hotellerie vergleichsweise am häufigsten Beeinträchtigungen des Bewegungs- und Stützapparates auf: Jeweils knapp mehr als die Hälfte der Befragten gab an, in den letzten Wochen an Muskelverspannungen im Nacken- bzw. Schulterbereich oder an Kreuzschmerzen gelitten zu haben. An Kopfschmerzen, Migräne haben 38 Prozent gelitten, gefolgt von Schmerzen in den Beinen (31 Prozent) sowie von Erschöpfung, Mattigkeit (28 Prozent) und Schlafstörungen (27 Prozent). Hauptursache für die körperlichen Beschwerden sind gehende und stehende Tätigkeiten über lange Zeiträume ohne Erholungsphasen. Während Kopfschmerzen und Schlafstörungen signifikant mit Schicht- und Nachtarbeit und einem gestörten Schlafrhythmus korrelieren.

Auffällig ist, dass die Beschäftigten im Tourismus – mit Ausnahme der Kopfschmerzen – alle genannten Beeinträchtigungen zu hohen Anteilen auf die Berufstätigkeit zurückführen.

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