Psychosoziale Risiken: Ergebnisse der ESENER-Erhebung
Die unlängst veröffentlichte dritte Europäische Unternehmenserhebung über neue und aufkommende Risiken (ESENER 2019) der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) liefert zahlreiche Erkenntnisse zu den Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer:innen. Mehr als 45.000 Betriebe in 33 Ländern nahmen an der Erhebung teil. Viel Aufschlussreiches zeigt sich unter anderem zu den psychosozialen Risiken am Arbeitsplatz.
Zeitdruck und schwierige Kund:innen sind Hauptthema Befragt nach spezifischen psychosozialen Risiken am Arbeitsplatz, werden in Österreich besonders häufig Zeitdruck (55,3 %) sowie der Umgang mit schwierigen Kund:innen, Patient:innen, Schüler:innen etc. (59,4 %) genannt. Besonders dramatisch stellt sich der Faktor Zeitdruck in den Bereichen Baugewerbe/Bau, Abfallentsorgung, Wasser- und Stromversorgung (63,8 %) sowie im Gesundheits- und Sozialwesen (61,3 %) dar. Österreich liegt beim Zeitdruck zudem deutlich über dem EU-Schnitt (45,1 %). Der Umgang mit schwierigen Kund:innen etc. ist vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen (86,3 %), in der öffentlichen Verwaltung (72,5 %) sowie im Bereich Erziehung und Unterricht (71 %) ein Thema.
Aufholbedarf bei Schutz vor Stress, Mobbing und Gewalt Bemerkenswert ist, dass 62,1 % der österreichischen Betriebe angeben, über keinen Maßnahmenplan zur Vermeidung von arbeitsbedingtem Stress zu verfügen. Ähnlich ist die Situation bei den nicht vorhandenen Verfahren für den Umgang mit Mobbing oder Belästigung (66,7 %) sowie den Umgang mit Fällen von Bedrohung, Beleidigung oder Angriffen (55,1 %). Auch im EU-Vergleich (53,7 % bzw. 47,4 %) schneidet Österreich bei den beiden letztgenannten unterdurchschnittlich ab.
Bezogen auf die gesetzlich vorgesehene Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ist augenscheinlich Aufholbedarf gegeben – Arbeitgeber:innen müssten hier eigentlich schon seit Langem Schutzkonzepte ausgearbeitet und umgesetzt haben.
Offenes Sprechen schwierig Als größtes Hindernis beim Umgang mit psychosozialen Risiken im Betrieb wird am häufigsten der „Widerwillen, offen über diese Probleme zu sprechen“, gesehen. Dies vermerken 61,9 % jener Betriebe, die angeben, dass der Umgang mit psychosozialen Risiken im Vergleich zu anderen Risiken schwieriger ist.
Sind arbeitsbedingte psychosoziale Risiken also in manchen Betrieben nach wie vor ein Tabu? Klar muss auf jeden Fall sein: Diese sind den Arbeitsbedingungen zuzuordnen und kein „individuelles Problem einzelner Personen“. Mehr Aufklärung tut not – insbesondere mit Blick auf die möglichen langfristen Schäden für Mensch und Betrieb.
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