Gesunde Arbeit

„Gesundheit und Arbeitsfähigkeit erhalten“

„Gesunde Arbeit“ im Gespräch mit Ing. Wolfgang Tremel, Präsident des Verbandes Österreichischer Sicherheits-Experten (VÖSI).
Wolfgang Tremel
"Aus- und Weiterbildung forcieren"
Wolfgang Tremel
"Aus- und Weiterbildung forcieren"

Was ist und macht der VÖSI?
Tremel: Der VÖSI ist ein seit 1977 bestehender gemeinnütziger Verein. Der primäre Zweck ist, Gefahren und Belastungen der Menschen bei der Arbeit zu vermeiden oder zu verringern. Wir unterstützen ExpertInnen im Bereich der Prävention, der Sicherheit (Safety) und des Gesundheitsschutzes. Anfänglich waren ausschließlich SFK (Sicherheitsfachkräfte) Verbandsmitglieder. Seit Jahren freuen wir uns ebensosehr über ArbeitspsychologInnen (AP), ArbeitsmedizinerInnen (AM), Brandschutzbeauftragte und BaukoordinatorInnen als Mitglieder.

In der Wirtschaft wird die SFK oft als Beauftragte/r gesehen. Für manche Wirtschaftsvertreter eine bürokratische Last. Was sagen Sie dazu?
Tremel: SFK sind genau genommen keine Beauftragten. Die/Den Sicherheitsbeauftragte/n im ArbeitnehmerInnenschutz gibt es in Österreich nicht. Ich kenne das von Ihnen angesprochene Problem aus der Praxis sehr gut und sehe es vielschichtig. Seit Jahren fordert die Wirtschaft (und nicht nur sie) ein verstärktes Zurückweichen von gesetzlichen Vorgaben und mehr Eigenverantwortung.

Die Prozesse in den Betrieben sind immer mehr vernetzt, automatisiert und schwerer zu überblicken und zu steuern. Zusätzlich werden immer weniger Beeinträchtigungen der Umwelt akzeptiert. All das verlangt nach Spezialwissen, Fähigkeiten und Zeit. Die Unternehmensführung lässt dem Arbeitgeber meist nicht ausreichend Ressourcen, um das abzudecken. Er kann und darf, selten muss er sich der Beauftragten bedienen. Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz lässt es seit 1995 zu, dass ein Arbeitgeber bei einem Unternehmen bis zu 25 MitarbeiterInnen –das sind in Österreich sehr viele – die Tätigkeit einer SFK selber übernehmen kann. Dieses sogenannte Unternehmermodell wird in der Praxis aber nicht angenommen. Die Arbeitgeber greifen sinnvollerweise zu ExpertInnen.


Psychische Belastungen sind beherrschendes Thema. Moderne Technik wird als weniger gefährlich wahrgenommen, Arbeitsunfallzahlen sinken. Geht den SFK die Präventionsarbeit aus?
Tremel: 2005 gab es rd. 122.000 Arbeitsunfälle (AU) ‒ inkl. Wegunfälle. Knapp zehn Jahre später meldete die AUVA rd. 106.000 AU. Somit konnte trotz der angesprochenen modernen Technik und aller anderen Anstrengungen die Unfallzahl um gerade mal 1,3 Prozent jährlich gesenkt werden. 2014 mussten noch immer 226 Menschen ihr Leben bei der Arbeit einbüßen. Dass die psychischen Belastungen bei zahlreichen Diskussionen beherrschendes Thema sind, ist verständlich. Sie sind aufgrund von Faktoren, wie immer mehr Informationen und Flexibilität, weniger Zeit etc., aus meiner Sicht insbesondere auch wegen oft fehlender Wertschätzung ein rasch wachsendes Problem. Verstärkt wird dies durch die demografische Verschiebung. Das überdeckt manchmal die rd. 106.000 Arbeitsunfälle und lässt sie fast als akzeptabel erscheinen.

Beim immer komplexeren Zusammenspiel aller Faktoren kann dieser Anstieg aus meiner Sicht nur durch das optimale Zusammenwirken aller Beteiligten gestoppt werden. Das dazu notwendige Fachwissen aus allen Bereichen wird nicht in einer Person zu bündeln sein. Innerbetrieblich sind das alphabetisch aufgezählt AM, AP und SFK, gemeinsam mit Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen. Überbetrieblich erwarte ich mir zur Lösung eine unpopulistisch geführte, fachliche Auseinandersetzung der Sozialpartner mit den politisch Verantwortlichen. Somit geht niemandem die Präventionsarbeit aus – weder den SFK noch anderen und schon gar nicht der Politik.

Prävention rechnet sich sozialwirtschaftlich und bewahrt vor allem Menschen ihre Gesundheit, aber erhält auch ihre Arbeitsfähigkeit.


Neuerungen bei gefährlichen Arbeitsstoffen – Stichwort CLP-Verordnung – und zur persönlichen Schutzausrüstung sind umzusetzen. Was tragen SFK dazu bei?
Tremel: Für die Umsetzung der CLP-Verordnung ist neben chemischem Grundlagenwissen insbesondere legistisches Wissen notwendig. Um die PSA-V sinnvoll umzusetzen, sind technisches Grundwissen über PSA und teilweise sehr große Erfahrung notwendig. Bei beiden Themen sind Beratung und Unterstützung geeigneter SFK wohl nicht wegzudenken.

Prävention hat viele Facetten: Sicherheitstechnik, Arbeitsmedizin, Ergonomie, Arbeitspsychologie etc. Was bringt den SFK die Kooperation mit ArbeitsmedizinerInnen und ArbeitspsychologInnen?
Tremel: Wie zuerst festgestellt, wird die Arbeitswelt rasend schnell immer komplexer und vernetzter. Somit muss die Beratung gleichziehen und ebenso vernetzter und komplexer werden. Dies gelingt beim Anspruch hoher Qualität ausschließlich durch gute Kooperation mit allen ExpertInnen – also den AM und AP. Somit muss sich jede Präventivfachkraft die Frage anders stellen: Will ich gute Arbeit leisten, dann muss ich kooperieren (persönliche Anmerkung: nur dann macht es wirklich Freude) und den jeweils anderen als Partner sehen.

Was ist dem VÖSI in Zukunft wichtig?
Tremel: Der VÖSI will in Zukunft noch intensiver das Thema Aus- und Weiterbildung forcieren. Hier ist aus meiner Sicht gesetzlicher Handlungsbedarf gegeben. Obwohl sich die Anzahl der Verordnungen zum ASchG mehr als verdoppelte, hat sich an der Ausbildungs-Verordnung zur SFK nichts getan. Die fachliche Qualität bei der Ausbildung und bei den tätigen SFK muss gewährleistet sein und sich den geänderten Gegebenheiten anpassen.

Ebenso will der VÖSI als unabhängiger Verband die Unternehmen und politischen EntscheidungsträgerInnen weiterhin fachlich unterstützen. Wir freuen uns über verstärkte Einbindung durch alle Beteiligten. ArbeitnehmerInnenschutz dient der Erhaltung der Gesundheit, des Lebens und der Arbeitsfähigkeit – somit werden wir jede Möglichkeit nutzen, uns weiterhin zu engagieren.


Ich danke für das Gespräch!

Interview: Julia Nedjelik-Lischka, AK Wien

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