Gesunde Arbeit

Arbeit 4.0: Die Rolle der Arbeitsmedizin

„Gesunde Arbeit“ im Gespräch mit Dr. Erich Pospischil, dem neu gewählten Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin.
Julia Nedjelik-Lischka und Dr. Erich Pospischil
Dr. Erich Pospischil Julia Nedjelik-Lischka und Dr. Erich Pospischil

Was ist und macht die Österreichische Gesellschaft für Arbeitsmedizin (ÖGA)?
Pospischil: Die ÖGA ist eine medizinische Fachgesellschaft, die in den fünfziger Jahren von ÄrztInnen verschiedener Fachgebiete, die sich mit Berufskrankheiten und gesundheitlichen Fragestellungen der Erwerbsarbeit beschäftigten oder betriebsärztlich in Großbetrieben tätig waren, gegründet wurde. Ziele sind das Erforschen und Aufzeigen arbeitsbedingter gesundheitlicher Gefährdungen und Erkrankungen, um Maßnahmen für effektive Prävention abzuleiten. Auch die Förderung und Weiterentwicklung betrieblicher Gesundheitsförderung sowie die Mitwirkung bei der Weiterbildung zum Facharzt/zur Fachärztin für Arbeitsmedizin sind in den Statuten vorgegeben. Wesentlich sind die Weiterentwicklung von Qualitätsstandards in der Arbeitsmedizin und die Veranstaltung von Tagungen für Mitglieder. Als Fachgesellschaft geht es auch um Intensivierung der Zusammenarbeit und des Austausches mit VertreterInnen anderer nicht-/medizinischer Fachdisziplinen. Die ÖGA bemüht sich, die Förderung wissenschaftlicher Arbeiten und der Forschung sowie die Bildung von Arbeitsgruppen zur Untersuchung besonderer Fragen zu unterstützen. Wichtig ist, dass sie bei der Begutachtung legislativer Vorhaben beteiligt wird. Die Teilnahme an wissenschaftlicher und praktischer Arbeit und Weiterbildung erfolgt durch das Abhalten regelmäßiger Veranstaltungen und Kongresse wie der Jahrestagung der ÖGA und das Forum Arbeitsmedizin in Wien. Alle zwei Jahre verleiht die ÖGA den „Egmont-Baumgartner-Preis“ für herausragende Publikationen zu wissenschaftlichen und praxisbezogenen arbeitsmedizinischen Themen. Die Mitgliedschaft beschränkt sich nicht nur auf ÄrztInnen, es können auch Personen aus anderen, nichtmedizinischen Fachdisziplinen aufgenommen werden.

Welche Impulse setzen Sie als neuer Präsident?
Pospischil: Die präventive Arbeitsmedizin ist im Vergleich zu kurativen Fachbereichen der Medizin in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt und wird nicht in dem Ausmaß ihrer gesellschaftlichen Bedeutung wahrgenommen. Es geht daher um Öffentlichkeitsarbeit und Präsenz. Gleichwohl ist es notwendig, den Service für Mitglieder auszubauen, da arbeitsmedizinische Tätigkeit intensiven Austausch zu neu auftretenden Fragestellungen erfordert und durch Netzwerke in der Medizin nur in geringem Ausmaß abgedeckt wird. Unsere Mitglieder sollen so schneller wichtige Informationen bekommen und der Kommunikationsfluss soll verbessert werden. Dies ist auch eine konkrete Aufgabenstellung für die Neugestaltung der Homepage. Zur Weiterentwicklung der Qualität der Arbeitsmedizin in Österreich wird eine Neugestaltung des Qualitätshandbuches durch den wissenschaftlichen Beirat in Angriff genommen. Wir werden als Fachgesellschaft arbeitsmedizinische Empfehlungen zu den Themen Arbeitszeit, Pausenregelungen, psychische Belastungen, neue Belastungen aus der Informationstechnologie und neue Arbeitsorganisationsformen entwickeln. Gefördert werden soll dabei auch die Zusammenarbeit mit Behörden und Interessenvertretungen.

In der Wirtschaft sind die Aufgaben der ArbeitsmedizinerInnen oft nicht klar. Was leistet die arbeitsmedizinische Betreuung?
Pospischil: Die betrieblichen Aufgaben des ArbeitnehmerInnenschutzes sind im ASchG und den dazugehörigen Verordnungen sehr umfangreich geregelt. Als ArbeitsmedizinerInnen können wir die Verantwortlichen in Betrieben bei diesen oft fachlich komplexen Aufgaben unterstützen und den betrieblichen Gesundheitsschutz präventiv weiterentwickeln, als Beispiel wäre das betriebliche Gesundheitsmanagement zu nennen. Sowohl arbeitsmedizinische Prävention als auch betriebliche Gesundheitsförderung helfen, Belastungen durch Arbeitsgestaltung zu senken, arbeitsbedingte Krankheiten zu vermeiden und die Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Hier gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die den „Return of Investment“ gut dokumentieren. Leider wird diese Aufgabenstellung seitens der Wirtschaft nicht immer wahrgenommen, da von einem traditionellen Rollenbild eines Arztes oder einer Ärztin ausgegangen wird und kurative Inhalte dann im Vordergrund stehen.

In dieser Ausgabe geht es um menschengerechte Arbeitsgestaltung 4.0 im digitalen Wandel. Sicher ein interdisziplinäres Thema. Welche Rolle nimmt hier die Arbeitsmedizin wahr?
Pospischil: Die Art der Belastungen wird sich weiter verändern. Informatorische Belastungen und psychosoziale Veränderungen der Arbeitsorganisation führen zu neuen Belastungen, deren Auswirkungen noch nicht ausreichend erforscht sind. Schon heute bietet die arbeitsmedizinische Vorsorge ArbeitnehmerInnen die Möglichkeit, z. B. bei psychischen Belastungen Beratung durch ArbeitsmedizinerInnen zu erhalten. Unsere Aufgabe wird auch sein, adäquate Betreuungsformen zu finden, um ArbeitnehmerInnen dabei besser zu erreichen und Fehlbeanspruchungen zu erkennen.

Was ist der ÖGA in Zukunft wichtig?
Pospischil: Zentrale Anliegen sind die Vermittlung unseres Fachs in seiner Attraktivität bei jungen KollegInnen – bei allgemeinem ÄrztInnenmangel, die Ausgestaltung und Umsetzung der neuen Ausbildungsordnung zum „Facharzt für Arbeitsmedizin und Leistungsphysiologie“ und die Unterstützung der Schaffung von Einrichtungen an medizinischen Universitäten, damit wissenschaftliche Arbeitsmedizin in Österreich weiter bestehen kann. In Zukunft werden Gesundheitsförderung und Erhalt der Arbeitsfähigkeit bei sich wandelnden Arbeitsbedingungen und Organisationsformen einen Schwerpunkt darstellen, damit adäquate Instrumente und Verfahren der gesundheitlichen Bewertung verfügbar werden. Und: Wichtig ist auch die interdisziplinäre Ausrichtung.

Ich danke für das Gespräch!
Interview: Julia Nedjelik-Lischka, AK Wien

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