Entbürokratisierung: Schein und Sein

Gesetze sind die Basis unseres Rechtsstaates – Spielregeln, die verhindern, dass einzelne Personen durch willkürliche Entscheidungen bevorzugt oder benachteiligt werden. Um am Puls der Zeit zu bleiben, werden Gesetze laufend überprüft und angepasst. Sind Bestimmungen nicht mehr zeitgemäß oder veraltet, müssen sie geändert werden – dies geschieht regelmäßig im Rahmen von Gesetzesnovellierungen.

Deckmantel Entbürokratisierung
Immer wieder – und derzeit höchst aktiv – wird jedoch von Wirtschaftsseite versucht, wichtige Gesetze zum Schutz der Beschäftigten gezielt auszuhöhlen und zu verwässern. Blumige Deckmäntelchen, welche als „Entbürokratisierung“ und „Flexibilisierung“ durch die Medienwelt geistern, sind bereits gefunden. Verführerische Begrifflichkeiten, die zudecken, was offensichtlich ist: Stoßrichtung dieser Angriffe ist eine Deregulierung mit dem Ziel der Profitsteigerung und Befriedigung von Einzelinteressen. Den Preis dafür sollen die ArbeitnehmerInnen zahlen.

Ein Angriff auf das wichtigste Gut – unsere Gesundheit
Wohlstand und Freiheit durch einen schleichenden Abbau von Schutzbestimmungen sind illusorisch: Die Aufweichung der täglichen Höchstarbeitszeiten verfolgt keineswegs das (öffentlichkeitswirksam transportierte) Ziel, den Beschäftigten mehr Handlungsspielraum zu ermöglichen. Fakt ist: ArbeitnehmerInnen büßen ihr Geld (Überstundenzuschläge) ein, in erster Linie profitieren ArbeitgeberInnen. Eine gerechte Umverteilung?
Vor allem auch Erosionen im ArbeitnehmerInnenschutz haben einen hohen Preis – sie bedeuten weniger Sicherheits- und Gesundheitsschutz für die arbeitenden Menschen. Die Kostbarkeit der eigenen Gesundheit und Sicherheit wird jedoch leider erst dann sichtbar, wenn sie verloren ist. Auch für die Betriebe ergeben sich durch die resultierende Rechtsunsicherheit neue Haftungsrisiken. Darunter leiden vor allem kleine und mittlere Unternehmen – diese haben, im Gegensatz zu „den Großen“, oft nicht die finanziellen Ressourcen zur Klärung von Haftungsfragen.

Ein Schutzschirm für die Zukunft
Wir sagen: Entbürokratisierung – ja, dort wo diese für die Gesellschaft einen Fortschritt und Mehrwert bedeutet. Einzelinteressen, Gier und Profitmaximierung dürfen jedoch niemals Gesetze diktieren. Schiller sagte: „Das Gesetz ist der Freund des Schwachen.“ Es schützt Menschen, die hierzu selbst wenig oder keine Möglichkeiten haben – es bildet quasi einen Schutzschirm. Vor allem im Sturm der globalisierten Wettbewerbsgesellschaft müssen wir diesen Schirm gut festhalten – sonst bleiben wir am Ende im Regen stehen.