Gesunde Arbeit

Krank zur Arbeit?

Wer krank zur Arbeit geht, schadet sich selbst, den Kolleginnen und Kollegen und auch dem Unternehmen. Trotzdem ist das Phänomen "Präsentismus" in Österreich weit verbreitet. Vor allem Frauen sind betroffen.

Krankenstandsdaten gelten in Betrieben als zentraler Gesundheitsindikator. Doch 35 Prozent der Beschäftigten gehen auch dann in die Arbeit, wenn sie krank sind. Je höher dieser Prozentsatz, desto schlechter werden auch die Arbeitsbedingungen beurteilt. Enorme Auswirkungen hat vor allem der Führungsstil. Das zeigen jüngste Daten aus dem Österreichischen Arbeitsgesundheitsmonitor. Die Arbeiterkammer Oberösterreich fordert unter anderem einen Kündigungsschutz im Krankenstand und eine Personalplanung, die die Beschäftigten entlastet.

Frauen gehen häufiger krank arbeiten
Wie ist es um die Gesundheit meiner Mitarbeiter/-innen bestellt? Um dies abschätzen zu können, achten manche Betriebe rein auf die Fehlzeiten. AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer warnt: „Es reicht nicht, die Krankenstandstage zu zählen. Um die Lage richtig einschätzen zu können, müssen auch die Daten des Präsentismus mit einfließen.“ Präsentismus - das Phänomen vom Erscheinen am Arbeitsplatz trotz Krankheit - ist in Österreich weit verbreitet. Besonders häufig tritt es in den Branchen Gesundheitswesen, Verkehr, Transport und Handel auf. Frauen gehen häufiger krank in die Arbeit als Männer.

Nachteile für alle Beteiligten
Und das oft mit schwerwiegenden Folgen. Neben der drohenden Verschlimmerung einer Krankheit, weil man auf die Erholungs- und Genesungszeit verzichtet, und der Ansteckungsgefahr für die Kollegen/-innen, steigt auch das Unfall- und Fehlerrisiko. Weiters sinkt die Loyalität zum Unternehmen, weil man sich ausgenützt fühlt, was wiederum zu deutlichen Produktivitätsverlusten führen kann.

Betrachtet man die Daten aus dem Österreichischen Arbeitsgesundheitsmonitor genauer, zeigt sich, dass Unzufriedenheit im Betrieb und Präsentismus stark zusammenhängen. Die Ergebnisse aus der Arbeitsklima Index-Erhebung aus dem Jahr 2015 und dem ersten Halbjahr 2016 im Detail:

  • Wird der Arbeitsplatz als sicher angesehen, geben 32 Prozent an, krank zur Arbeit zu gehen. Bei Arbeitsplatzunsicherheit sind es 47 Prozent.
  • Besonders starke Auswirkungen hat die Arbeitszeit: Beschäftige die „auf Abruf“ arbeiten, gehen zu 52 Prozent krank in die Arbeit – bei jenen, die das nicht tun, sind es nur 33 Prozent. Sind Beschäftigte mit ihrer Arbeitszeit zufrieden, geben 32 Prozent an, bei Krankheit nicht zu Hause zu bleiben – bei den „Unzufriedenen“ liegt dieser Anteil bei 41 Prozent.
  • Hoher Zeitdruck sorgt dafür, dass 51 Prozent krank in die Arbeit gehen. Wer sich nicht durch Zeitdruck belastet fühlt, tut dies nur zu 30 Prozent. Bei seelisch aufreibender Arbeit geben 52 Prozent an, trotz Krankheit in die Arbeit zu gehen - jene, die davon nicht belastet sind, tun dies nur zu 32 Prozent.

Diese Ergebnisse machen deutlich: Wer sich im Krankheitsfall gut auskurieren kann, beurteilt auch die Arbeitsbedingungen im Betrieb besser und ist zufriedener. Beschäftigte erleben die Fürsorgepflicht des Unternehmens als Wertschätzung und achten dadurch besser auf ihre Gesundheit. Schlussendlich profitieren davon beide Seiten: die auskurierten Arbeitnehmer/-innen und der Betrieb durch aufmerksamere und produktivere Beschäftigte. „Viele Arbeitnehmer dürften das Gefühl haben, es sich keinesfalls ‚leisten‘ zu können, in der Arbeit auszufallen. Knappe Personalplanung, Stress, Druck von Seiten der Führungskräfte oder Angst um den Arbeitsplatz sind mögliche Ursachen“, so Präsident Kalliauer.

Kündigungsschutz im Krankenstand würde helfen
Er fordert daher einen Kündigungsschutz im Krankenstand. Die Beschäftigten hätten dann weniger Angst, wegen Krankheit den Job zu verlieren. Betriebe wiederum wären dadurch gezwungen, krankmachende Arbeitsbedingungen abzustellen und etwa mehr Zeitpuffer bei Aufträgen oder Personalressourcen für Urlaubs- und Krankenstandsvertretungen einzuplanen. Erhebungen und Maßnahmen im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes oder auch das betriebliche Gesundheitsmanagement dürfen nicht nur auf die Fehlzeiten achten - auch Daten zum Präsentismus im Betrieb müssen erhoben und einbezogen werden.

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