Gesunde Arbeit

Einkommen in Tirol: Von Gleichheit keine Spur

Gesundheit steht in direktem Zusammenhang mit den finanziellen Möglichkeiten der Menschen. Nur: Frauen haben bei den Arbeitseinkommen generell immer noch das Nachsehen. Warum ist es so schwer, ökonomische Chancengleichheit zu erreichen? Ein Ausflug in die spannende Welt der Statistik liefert vier Antworten.
Zwischen Frauen und Männern bestehen nach wie vor große Einkommensunterschiede.
Enorme Teilzeitquote bei Frauen in Tirol
Zwischen Frauen und Männern bestehen nach wie vor große Einkommensunterschiede. Zwischen Frauen und Männern bestehen nach wie vor große Einkommensunterschiede.
Infografik zur Teilzeitquote in Tirol 2016 Enorme Teilzeitquote bei Frauen in Tirol

Viele Aspekte werden im Rahmen der Gender Studies, zu Deutsch Geschlechterforschung, beleuchtet. Auch der Zusammenhang von Einkommen und Gesundheit.

Der jüngste Sozialbericht des Sozialministeriums für 2015 und 2016 geht jedenfalls von starken gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen Bildungsgrad, Einkommen, Gesundheitsverhalten und Gesundheitszustand aus. Das heißt nichts anderes, als dass die finanziellen Möglichkeiten das Gesundheitsbewusstsein, Essgewohnheiten, Bewegung und Sport etc. beeinflussen.

„Menschen, die kein Geld haben, kann man nicht sagen: Ernährt euch ein bisschen gesünder und geht öfter laufen“, brachte es Verena Fabris, die Leiterin der Beratungsstelle Extremismus, bei der Tagung „Soziale Lage – Gender – Gesundheit“ (2008) auf den Punkt. Dabei betonte sie, dass die finanzielle und soziale Schlechterstellung von Frauen – besonders auch am Arbeitsmarkt – die weiblichen Lebensverläufe und den Gesundheitszustand bis ins hohe Alter prägen.

Was aber sind die Gründe für die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern, die weiter hartnäckig Realität sind? Die Genderperspektive hilft, die Ursachen besser zu verstehen. Und die Statistik zu den Zahlen in Tirol liefert dazu detaillierte Einblicke.

Teilzeit

Eine erste Antwort lautet: Es liegt an der Teilzeitarbeit. Mehr als jede zweite Tirolerin geht einer Teilzeitarbeit nach, bei den Männern ist es weniger als jeder Zehnte. Im Schnitt leisten Tiroler Frauen 25,7 Wochenstunden, Männer 34,2 Stunden. Und allein durch das unterschiedliche Ausmaß an Arbeitszeit entstehen große Differenzen bei den Einkommen.

Branchen

Aber auch dann, wenn man ausschließlich die Einkommen jener Beschäftigten vergleicht, die ganzjährig Vollzeit arbeiten, bleibt ein Einkommensunterschied von etwa 21 Prozent zwischen Frauen und Männern. Die zweite Antwort lautet daher: Frauen und Männer arbeiten in unterschiedlichen Branchen. So sind z. B. fast drei Viertel der Beschäftigten in der Sachgüterproduktion Männer. Die Sachgüterproduktion ist eine der einkommensstärksten Branchen in Tirol, denn der Normalverdienst in Industrie und Gewerbe liegt fast 30 Prozent über dem Tiroler Durchschnitt. Branchen, in denen viele Frauen tätig sind, bieten hingegen ein deutlich geringeres Einkommensniveau: Im Handel liegt der Verdienst um 9 Prozent unterhalb des Tiroler Durchschnitts, im Gastgewerbe sind es sogar 45 Prozent!

Berufe

Und das wäre die dritte Antwort: Es liegt an den Berufen! So sind technische Berufe extrem männlich dominiert: In Handwerksberufen liegt der Männeranteil bei über 90 Prozent, in Montageberufen und bei der Bedienung von Maschinen und Anlagen bei über 85 Prozent. Führungskräfte sind zu mehr als zwei Dritteln Männer. Dagegen sind in Dienstleistungsberufen, insbesondere in Verkauf, Büro und Hilfsarbeiten, zu zwei Dritteln oder mehr Frauen beschäftigt. In den „weiblichen“ Berufsgruppen liegt das Einkommensniveau jeweils mehr oder weniger deutlich unter dem der männlich dominierten Berufe.

Bei genauerer Analyse zeigt sich freilich, dass Frauen auch innerhalb derselben Berufsgruppen fast immer weniger verdienen als Männer. Bei Führungskräften beträgt der Einkommensvorsprung der Männer 43 Prozent, bei Bürokräften 20 und bei Hilfsarbeitskräften 27 Prozent. Einerseits ist das möglich, weil innerhalb einer Berufsgruppe durchaus verschiedene Tätigkeiten zusammengefasst werden – hier stößt die Statistik an ihre Grenzen. Andererseits, weil Frauen auf andere Hindernisse beim beruflichen Fortkommen stoßen.

Rollenbild

Das ist auch schon die vierte Antwort: Eigene und an sie herangetragene Erwartungshaltungen und Rollenbilder schränken Frauen nachhaltig beim beruflichen Fortkommen ein. Das beginnt schon bei der Wahl der Ausbildung. Mädchen und Burschen erfüllen hier noch vielfach Klischees: Burschen wählen technische Ausbildungen, während Dienstleistungsberufe wie Friseurin oder Verkäuferin weitgehend weiblich sind. Durchmischung gibt es nur in Randbereichen.

Dazu kommt, dass die Beurteilung dessen, was als erfolgreich und prestigeträchtig (und damit auch als finanziell einträglich) gilt, männlich geprägt ist: Anerkennung und Respekt gibt‘s für eine 60-Stunden-Wochen, wenn sie im Büro verbracht wird. Derselbe Zeitaufwand für die Pflege der gebrechlichen Mutter löst höchstens Bedauern aus; ein hohes Einkommen bringt dies schon gar nicht.

Karriereorientierung wird Männern als positiv zugeschrieben, Frauen werden dafür kritisch beäugt.

Nicht zuletzt spielen Rollenzuschreibungen auch im privaten Bereich eine große Rolle: Frauen erlegen sich mehr Verantwortung für das familiäre Umfeld auf oder sie wird ihnen auferlegt. Oft wird über diese „Arbeitsteilung“ nicht einmal explizit gesprochen, sondern sie ergibt sich aus den erlernten Handlungsmustern der Beteiligten.

All diese Prozesse – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – schränken die Chancen von Frauen am Arbeitsmarkt ein. Überspitzt ausgedrückt: Wirklich erfolgreich können in der heutigen Wirtschaftswelt nur Personen sein, die faktisch völlig flexibel agieren können, keine einschränkenden Bindungen aufweisen und an keinen Ort fest gebunden sind. Erwartungshaltungen, Rollenzuschreibungen und gelernte Verhaltensmuster sorgen jedoch dafür, dass Frauen in der Regel viel mehr „verstrickt“ sind als Männer. Das Resultat: Einkommensunterschiede bleiben beharrlich bestehen.

Analyse: Enorme Teilzeitquote bei Frauen in Tirol

Im Jahr 2016 gingen insgesamt 100.000 Beschäftigte in Tirol einer Teilzeitarbeit nach. Der überwiegende Teil davon (etwa 84.300 Personen) waren Frauen. Die Teilzeitquote betrug 53,3 % bei den Frauen und 9,3 % bei den Männern. Bei der Ganzjährigkeit der Beschäftigung zeigen sich mit 69:68 % kaum Unterschiede bei Männern und Frauen. Deutliche Unterschiede gibt es hingegen beim Kriterium der Vollzeitarbeit: Von den 68 % der ganzjährig tätigen Frauen arbeiten nur 32 % in Vollzeit. Das ist einer der wichtigsten Gründe für die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern.

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