Gesunde Arbeit

Wie gendergerecht ist die Berufskrankheitenliste?

Gendermedizin hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, zunehmend werden bei Erkrankungen auch geschlechterspezifische Faktoren berücksichtigt. Doch wie sieht es mit solchen Faktoren im Zusammenhang mit Berufskrankheiten aus?
Auch in weiblich dominierten Berufen ist die Zahl der von Frauen gestellten Anträge auf Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit teilweise signifikant niedriger als jene von Männern.
Pflegerin Auch in weiblich dominierten Berufen ist die Zahl der von Frauen gestellten Anträge auf Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit teilweise signifikant niedriger als jene von Männern.

Die Zahl der Anträge auf Anerkennung von Hauterkrankungen als Berufskrankheiten (BK-19 der Berufskrankheitenliste) ist im Zeitraum von 2016 bis 2020 im Vergleich zwischen Männern und Frauen zugunsten Letzterer deutlich gestiegen. So waren es im Schnitt rund 45 Prozent mehr Anträge von weiblichen Versicherten als von männlichen.

Berufskrankheiten in männlich dominierten Berufen
Besonders auffällig sind die geschlechterspezifischen Unterschiede, gemessen an der Anzahl der Anträge auf Anerkennung, bei der BK-27a (Asbestose) und den BK-27b/c/d (bösartige Neubildungen des Rippenfells, des Herzbeutels, des Bauchfells, der Lunge und des Kehlkopfes durch Asbest). Denn hier sind die Anträge der weiblichen Versicherten im ein- oder maximal zweistelligen Bereich, während die Zahl bei den männlichen Versicherten im hohen zwei- bzw. dreistelligen Bereich liegt (Anträge auf Anerkennung der BK-27a im Jahr 2017: Männer: 144; Frauen: 7).

Eine Erklärung für diese große Differenz ist, dass diese Erkrankungen besonders häufig in der industriellen Produktion bzw. im Baugewerbe auftreten und diese Berufe immer noch sehr stark männlich besetzt sind.

Gleiches gilt auch für die BK-33 (durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit), wo im Jahr 2016 1.093 männliche Versicherte und 36 weibliche Versicherte die Anerkennung als Berufskrankheit beantragten. Bei der BK-45 (durch Staub von Hartholz verursachtes Adenokarzinom) kommen auf etwa 20 Anträge von männlichen Versicherten null bis ein Anträge von weiblichen Versicherten.


BK-38 (Infektionskrankheiten)
Hier gibt es eine Einschränkung bei Anerkennungen auf bestimmte Unternehmen. So finden sich unter diesen sogenannten Listen-Unternehmen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten. Zudem sind auch noch Apotheken und Laboratorien aufgezählt. Es handelt sich dabei um Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden (Gesundheit und Pflege, Bildung, Betreuung).

Dennoch spiegeln die Antragszahlen diese Tatsache nicht wider, denn in den letzten fünf Jahren waren die Anträge von männlichen Versicherten in drei Jahren sogar höher als die der Frauen. Nur in den Jahren 2018 und 2020 waren die Anträge von Frauen etwas höher (2018: Männer 12, Frauen: 14; 2020: Männer: 72, Frauen: 83).

Das wirft bei genauerer Betrachtung die Frage auf, warum in männlich dominierten Berufen die Antragszahlen dies widerspiegeln und im Fall der BK-38, mit der Einschränkung auf überwiegend von Frauen ausgeübten Berufen, diese Tatsache nicht an den Antragszahlen erkennbar ist. Zumal es im Fall von Infektionskrankheiten keine wissenschaftliche Evidenz gibt, dass männliche Versicherte höhere Ansteckungen aufweisen als Frauen.

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