EU-Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten dich!“: Reinigungsarbeit als systemrelevanter Beruf
Die andauernde Corona-Krise hat die Anforderungen systemrelevanter Berufe zusätzlich erhöht. Davon betroffen ist auch die Reinigungsarbeit. Mit der Veranstaltung „Ein Tag für die Sichtbarkeit“ im Rahmen der EU-Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten Dich!“ soll 2021 den Arbeitsbedingungen und den Rahmenbedingungen von speziellen Berufsgruppen verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt werden.Eine wichtige Rolle spielt dabei die Reinigungsarbeit, die anlässlich des „Tages der Reinigung“ am 15. Juni in den Fokus gerückt wird.
Die Branche ist geprägt durch eine Beschäftigung zumeist an Randzeiten und erhält nicht immer die Anerkennung, die sie verdienen sollte: Diese Herausforderungen haben die Arbeit in der Reinigungsbranche schon vor der Corona-Krise gekennzeichnet. Die Pandemie hat die Arbeit in der Gebäudereinigung noch zusätzlich erschwert. Höchste Zeit, den Arbeits- und den Rahmenbedingungen von Reinigungskräften verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken.
Denn neben gesundheitlichen Beanspruchungen beeinträchtigen auch die Arbeitszeiten die Lebensqualität der Beschäftigten in der Reinigung. Das zum Teil negative Image von Reinigungsarbeiten wirkt sich indes nicht nur auf die finanzielle Lage und das psychische Wohlbefinden aus, sondern auch auf die Gesundheit. „Gut untersucht sind etwa Zusammenhänge zwischen geringer Belohnung – z. B. mangelnder Wertschätzung – und Rückenbeschwerden“, weiß Julia Steurer, Psychologin im Zentral-Arbeitsinspektorat. Zusammenhänge von Muskel-Skelett-Erkrankungen mit Arbeitszufriedenheit, emotionaler Anstrengung, Arbeitstempo und Stress seien ebenso bekannt.
Aktivitäten zum Tag der Reinigung im Juni 2021
Dieser Schwerpunkt nimmt in der aktuellen EU-Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten Dich!“, die von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz initiiert wird, einen wichtigen Stellenwert ein. Die EU-weite Kampagne startete im Oktober 2020 mit einer virtuellen Auftaktveranstaltung und beleuchtete ausführlich die Problematik arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie die damit einhergehenden Kosten für Betriebe und die Volkswirtschaft. In den nächsten zwei Jahren werden zahlreiche weitere Aktivitäten umgesetzt. Ein wichtiger Fokus liegt dabei auf der Veranstaltung „Ein Tag für die Sichtbarkeit“, die anlässlich des „Tages der Reinigung“ am 15. Juni 2021 in Wien stattfinden wird. Gemeinsam mit den Expertinnen und Experten des Zentral-Arbeitsinspektorats und der Wirtschaftsuniversität Wien, in Kooperation mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen, sollen damit die gesundheitlichen Aspekte und die Wertschätzung der Reinigungsarbeit in den Vordergrund gerückt werden. „Reinigung geht die gesamte Gesellschaft an! Wichtig ist uns bei dieser Veranstaltung, dass Stakeholder, Fachleute und Sozialpartner gemeinsam an konkreten Weiterentwicklungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen arbeiten“, betont Julia Steurer vom Zentral-Arbeitsinspektorat, die die Veranstaltung gemeinsam mit Karin Sardadvar von der Wirtschaftsuniversität Wien organisiert. Weitere Aktivitäten von Interessenvertretungen und Fachleuten – darunter Vorträge, Präsentationen und Diskussionen – werden folgen.
Harte Arbeit in der Krise – neue Aufgaben und neues Risiko
Reinigungskräfte bleiben oft unsichtbar, weil sie ihre Arbeit vor und nach der Arbeit anderer Beschäftigter verrichten, damit diese nicht gestört werden. Als Beschäftigte einer der vielzitierten „systemrelevanten“ Branchen sind Reinigungskräfte auch während der Krise und des Lockdowns aktiv: Büros, Produktionsstätten, Verkehrsmittel, Supermärkte, Kindergärten, Schulen sowie Arztpraxen, Spitäler und andere Räumlichkeiten müssen auch und gerade in Zeiten der Pandemie gereinigt werden. Dabei sind Tätigkeiten wie die Desinfektion sowie das Risiko einer Ansteckung bei der Arbeit hinzugekommen. Dennoch erhält die Reinigungsarbeit häufig wenig Beachtung, wird wenig wertgeschätzt und fällt in eine geringere Lohnbranche. „Es ist Zeit danke zu sagen“, betont Elias Schröder von der Landesinnung Wien der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger, „denn die Reinigungskräfte in der Gebäudereinigung und Hausbetreuung sind unverzichtbar für unser Land“.
Arbeitszeiten umgestalten – Kundinnen und Kunden spielen eine wichtige Rolle
„In der Pandemie sind systemrelevante Tätigkeiten wie die Arbeit an der Supermarktkasse, in der Pflege oder eben in der Reinigung ein wenig sichtbarer geworden – aber an den Arbeitsbedingungen hat sich nichts Wesentliches geändert“, weiß Karin Sardadvar, die an der Wirtschaftsuniversität Wien zu den Arbeitsbedingungen in der Reinigungsbranche forscht. Was getan werden müsste? Ein wichtiger Ansatzpunkt sind die Arbeitszeiten: „Reinigungskräfte arbeiten häufig am frühen Morgen und am späten Abend mit Arbeitsunterbrechung dazwischen – sogenannte geteilte Dienste. Diese Arbeitszeiten beeinträchtigen die Lebensqualität, das Familienleben und das Sozialleben“, erklärt Sardadvar. Dass es auch anders geht, zeigen Länder wie Norwegen, in denen schon seit Jahren Tagreinigung – also Arbeitszeiten zu den üblichen Büro- und Geschäftszeiten und ohne unbezahlte Unterbrechungen – verbreitet ist. In den Unternehmen habe man sich daran gewöhnt, berichtet Arbeitssoziologin Sardadvar aus ihrer Forschung. „Störungen der Belegschaften des Kundenunternehmens durch die Reinigungsarbeit sind in Norwegen im Alltag kaum ein Problem.“
„Wir sehen in der Tagreinigung einige Vorteile. Auch Kunden profitieren davon, zum Beispiel, weil sie dann wissen, wer wann bei ihnen im Haus ist und weil sie manche akuten Reinigungsanliegen gleich direkt mit der Reinigungskraft vor Ort klären können“, sagt Innungsmeister Gerhard Komarek von der Wirtschaftskammer. Für Ursula Woditschka vom Fachbereich Gebäudemanagement der Gewerkschaft vida ist immens wichtig, nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern auch die Sichtbarkeit und die dadurch ermöglichte Wertschätzung und Anerkennung der geleisteten Arbeit der Reinigungskräfte zu erhöhen. Das trage zur Sinnstiftung für die Beschäftigten bei. „Auch die Kundinnen und Kunden sollten sehen, wer ihre Büroküche reinigt oder ihren Schreibtisch abwischt“, betont Woditschka.
Systemrelevante Berufe – hoher Frauenanteil, niedrige Löhne
Reinigungsarbeit wird größtenteils von Frauen erbracht, sowie häufig von Migrantinnen und Migranten. Die Entlohnung ist in der Branche indes im Vergleich eher niedrig. Das zeigt auch eine Auswertung von Statistik Austria zur Entlohnung in „systemkritischen“ Berufen in der Corona-Krise und stellt ein weiteres Problem dar, das mit der Veranstaltung rund um den „Tag der Sichtbarkeit“ in den Fokus gerückt werden soll: Viele der systemrelevanten Berufe werden mehrheitlich von Frauen ausgeführt – und gerade diese Tätigkeiten werden niedrig entlohnt. Das trifft etwa auf die Arbeit in der Kinderbetreuung, im Verkauf, in der Pflege oder eben in der Reinigung zu. Im Vergleich der Jahreseinkommen von 13 „systemkritischen“ Berufen – darunter Ärztinnen und Ärzte, Polizei, Lehrkräfte, Kindergartenpersonal, Pflegekräfte, Verkäuferinnen und Verkäufer und Beschäftigte in der Abfallentsorgung – erhalten Reinigungskräfte das niedrigste Entgelt, zeigen Analysen von Statistik Austria.[1] „Wie so viele der systemrelevanten Tätigkeiten wird auch die Reinigungsarbeit vor allem von Frauen und von Migrantinnen und Migranten ausgeübt. Höhere Wertschätzung für diesen Beruf – auch in Form von verbesserten Arbeitsbedingungen – ist dringend erforderlich,“ hebt Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen – Familie in der AK Wien, hervor.