Tagreinigung bringt Vorteile für Unternehmen, Beschäftigte und KundInnen
Ein Schwerpunkt der aktuellen Kampagne der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) „Gesunde Arbeitsplätze – entlasten Dich“ liegt auf der Reinigungsarbeit. Zwar hat die andauernde Corona-Pandemie systemrelevanten Berufen wie der Reinigungsbranche vermehrt Aufmerksamkeit verschafft, gleichzeitig sind aber die Anforderungen an diese gestiegen. In der Reinigungsarbeit prägen zudem atypische und zerrissene Arbeitszeiten den Alltag vieler Beschäftigter. Dies belastet nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Gesundheit. Hier gilt es rasch ein Umdenken anzustoßen, sind sich Expertinnen und Experten einig. Vorteile bringt beispielsweise der Umstieg auf Tagreinigung. Neue Lösungswege und ein Handlungsplan, wie Tagreinigung in den Unternehmen umgesetzt werden kann, entstanden im Zuge des digitalen Workshops „Tagreinigung in die Praxis umsetzen – wo ansetzen, wie überzeugen?“, am 8. November 2021.
Seit dem Start der aktuellen EU-OSHA Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze – entlasten Dich“ im Oktober 2020 fanden zahlreiche Veranstaltungen und Workshops statt, um die Problematik arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie die damit einhergehenden Kosten für Betriebe und die Volkswirtschaft zu beleuchten. Als wichtiger Themenschwerpunkt hat sich die Reinigungsarbeit herauskristallisiert, die bereits im Rahmen der Veranstaltung „Ein Tag für die Sichtbarkeit“ anlässlich des vergangenen „Tages der Reinigung“ am 15. Juni 2021 beleuchtet wurde.
Im Workshop „Tagreinigung in die Praxis umsetzen – wo ansetzen, wie überzeugen?“ wurden erneut Lösungswege sowie aktuelle Ergebnisse diskutiert. „Wir wollen die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten beleuchten, deren Arbeit oft unsichtbar bleibt, weil sie ihre Arbeit vor und nach der Arbeit anderer Beschäftigter verrichten“, so Karin Sardadvar, Soziologin an der Wirtschaftsuniversität Wien: „Die gegenwärtigen Arbeitszeiten beeinträchtigen die Lebensqualität der Beschäftigten in der Reinigung. Doch nationale und internationale Beispiele zeigen, dass ein Umstieg auf Tagreinigung ohne geteilte Dienste möglich ist.“
Das zum Teil negative Image von Reinigungsarbeiten wirkt sich nicht nur auf die finanzielle Lage und das psychische Wohlbefinden aus, sondern auch auf die Gesundheit. „Gut untersucht sind etwa Zusammenhänge zwischen mangelnder Wertschätzung und Rückenbeschwerden“, weiß Julia Steurer, Arbeitspsychologin im Zentral-Arbeitsinspektorat. Zusammenhänge von Muskel-Skelett-Erkrankungen mit Arbeitszufriedenheit, emotionaler Anstrengung, Arbeitstempo und Stress seien ebenso bekannt.
Tagreinigung als Lösung
Untersuchungen zeigen, dass ein Umstieg auf Tagreinigung für alle Beteiligten Vorteile mit sich bringt. Für Reinigungsunternehmen etwa in Form von organisatorischen Vereinfachungen, für Kundenunternehmen in Form von verbesserter Kommunikation und für Beschäftigte in Form von erhöhter Arbeits- und Lebensqualität sowie gesundheitlichem Nutzen – insbesondere für die Psyche und das Muskel-Skelett-System. Die Frage ist nun, wie kann die Tagreinigung in die Praxis umgesetzt werden, wo muss man ansetzen und wie können Kundinnen und Kunden vom Umstieg überzeugt werden?
Diese und weitere Fragen diskutierten Expertinnen und Experten von Interessenvertretungen, Vertreterinnen und Vertreter führender Reinigungsdienstleister sowie Fachleute vom Zentral-Arbeitsinspektorat, der öffentlichen Hand und der Wissenschaft im Rahmen der digitalen Veranstaltung „Tagreinigung in die Praxis umsetzen – wo ansetzen, wie überzeugen?“ des Zentral-Arbeitsinspektorats, in Zusammenarbeit mit der WU Wien, am 8. November und erarbeiteten weiterführende Lösungen:
Wo und wie kann man gelingend beginnen, um Tagreinigung weiter zu verbreiten?
Ein neuer Ansatz zielt darauf ab, die Tagreinigung im Zuge von Diversity- und Inklusionsmanagement zu erarbeiten und zu verbreiten – beispielsweise in Unternehmen, die sich zu einem inklusiven Handeln verpflichtet haben. „Da sollte auch das Reinigungspersonal eine Rolle spielen“, so Nadja Miko-Schefzig, Geschäftsführerin von Kompetenzkreis, und weiter: „Mit der Reinigungsarbeit vor oder nach der Dienstzeit aller anderen Angestellten wird Reinigungspersonal ausgegrenzt, was nicht mit dem inklusiven Handeln vereinbar ist. Während hingegen durch Tagreinigung eine soziale Integration des Reinigungspersonals möglich ist.“
Wie kann man Kundinnen und Kunden auf Tagreinigung ansprechen, sie über die Vorteile informieren und von einem Umstieg überzeugen?
„Um Kundinnen und Kunden auf das Thema Tagreinigung anzusprechen und zum Diskurs anzustoßen, ist eine breit angelegte Kommunikations-Strategie von Nöten“, so Julia Steurer vom Zentral-Arbeitsinspektorat. Neben einer Image-Kampagne zur Tagreinigung sehen Expertinnen und Experten auch Best-Practice-Beispiele als wichtiges Werkzeug, um über bereits erfolgte Umstiege auf Tagreinigung – etwa in der Sonderreinigung oder in Krankenhäusern – zu sprechen und den positiven Wandel zu unterstützen. Mit regelmäßigen Awareness-Veranstaltungen wie dem „Tag der Reinigung“ am 15. Juni soll die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam gemacht werden. „Besonders vielversprechend fanden wir auch die Idee eines Awards für Tagreinigung“, so Julia Steurer.
Neben der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für das Thema Tagreinigung ist auch die direkte Ansprache von Kundinnen und Kunden der Reinigungsunternehmen ein wichtiger Schritt zum Erfolg. „Im Zuge von Gesprächen mit unseren Kundinnen und Kunden wird immer wieder der Wunsch nach gleichbleibendem Reinigungspersonal geäußert“, weiß Wolfgang Muth, stellvertretender Geschäftsführer der Bundesinnung der Chemischen Gewerbe und der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger in der Wirtschaftskammer Österreich. „Der Umstieg auf Tagreinigung hat auch darauf einen positiven Einfluss“, ergänzt Muth, „die Umstellung steigert nachweislich die Zufriedenheit des Reinigungspersonals, was in weiterer Folge die Fluktuation erfolgreich senkt.“
Wie kann man Reinigungskräfte, aber auch die Kundinnen und Kunden bei dem Umstieg optimal unterstützen?
Auch hier sind sich die Expertinnen und Experten einig: „Eine offene Kommunikation fördert das Miteinander und beugt Missverständnissen vor. „Dies ist nicht nur vor, sondern auch während des Umstiegs auf Tagreinigung wichtig“, weiß Claudia Glawischnig von abz*austria. Vor dem Umstieg auf Tagreinigung müssen Kundinnen und Kunden über Vor-, aber auch Nachteile informiert werden. Aber auch Gespräche mit den Reinigungskräften sind wichtig, um ihnen mögliche Sorgen zu nehmen – z. B. die Angst vor der Kommunikation mit Kundinnen und Kunden, betonen Claudia Glawischnig und Martina Ehrendorfer von abz*austria, die im Rahmen des Projektes FairPlusService mit Reinigungskräften und Reinigungsunternehmen arbeiten. Hierbei können sprachliche Unterstützungsmaßnahmen helfen. „Besonders wichtig ist aber auch, das Selbstvertrauen von Reinigungskräften und ihr Bewusstsein über die Wichtigkeit ihrer Arbeit zu stärken“, berichtet Martina Ehrendorfer aus ihrer Arbeit.
Doch auch während des Umstiegs ist Kommunikation unerlässlich. „Besonders im Kundenunternehmen ist es wichtig, zu definieren, welche Tätigkeiten vom Reinigungspersonal verübt werden und welche nicht“, weiß Ursula Woditschka, Fachbereichssekretärin des Fachbereichs Gebäudemanagement in der Gewerkschaft vida. „Ein Beispiel: Ist die Kaffeetasse von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Betriebes selbst in den Geschirrspüler zu räumen oder wird schmutziges Geschirr vom Reinigungspersonal weggeräumt? Solche Aspekte sind vertraglich vereinbart – wichtig ist, dass auch die Beschäftigten im Kundenunternehmen darüber informiert sind“, erklärt Woditschka.
„Um Tagreinigung umzusetzen, braucht es eine Beteiligung aller betroffenen Gruppen – also dem Reinigungsunternehmen, den Reinigungskräften, dem Kundenunternehmen und den Beschäftigten im Unternehmen. Kommunikation im Reinigungsunternehmen, aber auch im Kundenunternehmen über die bevorstehende Veränderung ist von großer Bedeutung“, findet Karin Sardadvar, Soziologin an der Wirtschaftsuniversität Wien, abschließende Worte.
„Es war ein spannender Workshop mit vielen neuen Sichtweisen und Denkanstößen, wie das Thema Tagreinigung in Zukunft in den Unternehmen integriert werden kann. Wie so oft spielt die Kommunikation dabei eine maßgebende Rolle. Das hat auch der Austausch mit unserer hochkarätigen Diskussionsrunde aus den verschiedenen Interessengruppen gezeigt, wodurch gemeinsam ein Handlungskonzept erarbeitet werden konnte, das alle Beteiligten einbindet“, fasst Julia Steurer vom Zentral-Arbeitsinspektorat, die die Veranstaltung gemeinsam mit Karin Sardadvar von der Wirtschaftsuniversität organisiert hat, abschließend zusammen.
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