„Sie haben Geld gemacht aus den leblosen Körpern unserer Babys“
Name: Yvonne und Ron Hemelrijk
Alter: 51 und 58 Jahre
Exposition: fortpflanzungsgefährdendes Lösungsmittel DMA
Ron Hemlerijk arbeitete von 1988 bis 2002 in der Lycra-Produktion von DuPont in Dordrecht, Niederlande
Nach außen ist DuPont, der Riese in der chemischen Industrie, bekannt für die Sicherheit, die guten Löhne und die ausgezeichneten Arbeitsbedingungen in der Region Dordrecht. Daher freute sich Ron Hemelrijk, als ihm dort 1988 eine Stelle angeboten wurde – in der oberen Spinnerei, wo die „Paste“ mit flüssigen Polymeren (chemischer Grundstoff für Kunststoffe), die DMA enthielt, gemischt und in Rohren weitergeleitet wurde, in denen Stickstoffgas war. Ein Stück weiter vorne kam dann das Lycra-Garn heraus und wurde auf Spulen gewickelt. Dabei entwichen die Dämpfe aus den Rohren.
Ron: „In der oberen Spinnerei haben wir hitzebeständige Handschuhe und Gesichtsschutz getragen wegen der hohen Temperaturen, die auch 50 Grad Celsius erreichen konnten. Dies hat die Aufnahme von DMA über die Haut noch mehr begünstigt. Abgesehen davon haben zu dieser Zeit alle die einfachen Jacken des Unternehmens und Jeans getragen. Wir waren immer von Dampf umgeben. Und wenn eine Maschine nicht mehr funktioniert hat, waren wir von giftigen Wolken umhüllt.“
Yvonne: „Zu Hause war alles durchdrungen mit Lycra. Die Paste haftete an Rons Kleidung und war in der Fußmatte. Er kam nach Hause, voll mit Firnis-Öl, das ebenfalls Lösungsmittel enthalten hat. Niemand hatte uns gewarnt, dass DMA fortpflanzungsgefährdend und für einen Embryo schädlich ist. Und ich war dem über Ron ausgesetzt. Wenn man entsprechend informiert wird, dann kann man sich bewusst entscheiden. In der Tat haben wir zu dieser Zeit überlegt, eine Familie zu gründen. Und wir wollten eine große haben.“
Die erste Schwangerschaft von Yvonne verlief ohne Probleme. Femke wurde Ende 1988 geboren. Es dauerte dann sehr lange, bis das zweite Kind auf die Welt kam. Yvonne zeigt uns ein Ultraschallbild. „Ich habe mein Baby in der 11. Woche verloren. Die dritte und die vierte Schwangerschaft endeten ebenfalls mit einer Fehlgeburt, aber der Gynäkologe konnte keine Ursache dafür finden. Meine Schwangerschaft mit Mathijs 1992 war sehr schwierig. Ich hatte solche Angst, obwohl 15 Ultraschalluntersuchungen gemacht wurden. Die Geburt verlief normal. Ich weiß nicht, ob der Autismus von Mathijs mit der Exposition von DMA zusammenhängt. Nachher wollte ich dann keine Kinder mehr bekommen.“
„Unser Harn wurde alle 14 Tage auf DMA untersucht“, sagt Ron. „Wenn die Werte zu hoch waren, wurden wir für eine Woche in die untere Spinnerei geschickt. Aber da waren auch Dämpfe. DuPont hat gewusst, wie gefährlich das war. Ich bin verbittert, wenn ich daran denke, dass wir für eine Lade, die wir offen gelassen haben, gemaßregelt wurden oder dafür, wenn wir beim Stiegensteigen den Handlauf nicht benutzt haben. Unsere medizinischen Untersuchungen waren nur Augenauswischerei. Die Ergebnisse haben wir nie erfahren“.
Yvonne: „DuPont hat Geld gemacht aus den leblosen kleinen Körpern unserer Babys.“
Ron: „Von einem ökonomischen Standpunkt aus war DuPont bis zur Schließung des Werks 2006 wirtschaftlich sehr erfolgreich.“
Yvonne und Ron denken, dass das „sicherste Unternehmen der Welt“ seine Verantwortung wahrnehmen soll. „Da muss alles ans Licht kommen“, sagt Yvonne. „Sie haben uns bewusst dieser Gefahr ausgesetzt, uns und unsere Kinder. Wir hätten die Wahl haben sollen.“
Autor: Pien Heuts, Journalist
Die Zeitschrift „HesaMag“ des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI) berichtete in der Ausgabe 14/2016 über die gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Lösungsmittels Dimethylacetamide (DMA), das in einem Unternehmen von DuPont in den Niederlanden zur Herstellung von Lycra verwendet wurde.
Wir bringen die persönlichen Geschichten von mehreren Betroffenenen als Artikelserie.
- Hintergrund: „Wir wussten nicht, wie gefährlich das war“